Weltenende (German Edition)
wollte beschleunigen, aber es ging nicht mehr. Seine Beine gehorchten ihm nicht mehr und er wurde von Schritt zu Schritt langsamer. Die Kräfte verließen ihn. Carl zog ihn mit sich, versuchte ihm zu helfen, ihn auf den Beinen zu halten, doch der Sand machte das Laufen anstrengend und Jonas stürzte. Beim Versuch wieder aufzustehen, stürzte er erneut und blieb keuchend liegen. Carl riss an seinem Anorak. „Komm schon! Wir müssen weiter“, zischte er panisch.
„Die haben Pferde“, keuchte Jonas. „ Die holen uns sowieso ein.“
Das Seelenfeuer war deutlich sehen, aber es war noch ein gutes Stück entfernt, sofern man das beurteilen konnte. Nicht einmal die Steilküste hatte begonnen.
Durch die Bäume drang helles Licht , erreichte fast den Strand und die Steine. „Da sind sie!“, raunte Jonas.
„ Zu den Felsen, schnell!“, japste Carl und riss Jonas mit aller Kraft auf die Beine. Zwei breite schon vor Jahrtausenden glatt geschliffene Steinquader lagen übereinander. Oben am Waldrand hätten sie ohne weiteres vorbeirennen können, aber weiter unten am Wasser, waren sie ein Hindernis. Jonas zitterte am ganzen Körper, Schüttelfrost, heftiger als er es jemals erlebt hatte, plagte ihn. Carl ließ ihn los und ließ sich auf die Knie fallen. „Da ist ein Spalt“, rief er.
Jonas sah ihn nicht . Er keuchte nur und fiel wie ein nasser Sack in den Sand.
„Ich muss ein wenig Sand weg ...“ Weiter sprach er nicht. Mit den Händen und den Armen schaufelte Carl wie besessen, um den Spalt breiter zu machen, und Jonas sah ihn endlich, aber er glaubte nicht, dass sie dort hineinpassen würden, nicht sie beide. „Probiere es!“, befahl Carl. Jonas gehorchte widerwillig, legte sich auf den Bauch und rutschte mit Mühe unter den Fels. Die Enge war beklemmend. Es roch nach Meer und Algen. Tote Muscheln hingen am Stein, drückten gegen seinen Rücken. „Noch ein Stück!“, raunte Carl. Er versuchte Jonas zu folgen und irgendwie quetschte er sich in den Spalt. Mit der rechten Hand schaufelte er Sand zurück, bis nur noch ein schmaler Spalt zwischen Felsen und Sandstrand blieb. Es war ein gutes Versteck, solange die Männer nicht die richtigen Rückschlüsse aus den Spuren vor dem Felsen zogen.
Jonas versuchte sich umzu legen, aber mit Carl halb auf ihm und dem Stein ging es nicht. Das Zeichen in seiner Hand pochte und drückte schmerzhaft gegen die Haut.
„ Hör auf dich zu bewegen!“, flüsterte Carl.
„ Ich kann mich nicht bewegen; ich glaube, ich kriege keine Luft.“
„ Pssst!“
Durch den Spalt f iel Licht. Nicht besonders viel, aber jemand war dicht vor den Felsen getreten und er hielt eine Lampe in den Händen. Sie hörten Stimmen, hörten Befehle und wie jemand sagte, dass dort hinten Pferde seien. „Ohne Pferde können sie nicht weit sein“, antwortete ein anderer.
„ Die sind zur Straße zurück. Verdammt, wir hätten nicht zu dem Licht gehen sollen“, fluchte ein anderer.
Wir wollten auch nicht hin, dachte Jonas. Weder Carl noch er wagten zu atmen. Schier endlos lange Sekunden verrannen, jeden Augenblick rechneten sie damit entdeckt zu werden. Doch nichts geschah, kein Licht, keine hektischen Rufe, nur der ersehnte Rückzug der Ombrage.
„Vielleicht sollten wir hier bleiben, bis es hell wird“, raunte Jonas. Mit einem Mal war er unendlich erschöpft, so unbequem die Lage auch war, er hätte einfach liegen bleiben können. Die Augen fielen ihm zu, trotz der vermeintlichen Unmengen Adrenalins in seinem Blut.
Carl drehte sich. Seine Hände fingerten in Jonas Gesicht herum, fanden schließlich sein Stirn. Er grunzte etwas Unverständliches und meinte dann verständlicher: „Wir müssen weiter, Jonas.“
„Nur ein paar Minuten noch “, lallte Jonas.
„Nein, komm!“ Carl schob den Sand zurück und zwängte sich aus dem Loch. Vorsichtig schaute er sich um, blickte auch über den Felsen, aber nirgends war mehr eine Menschenseele auszumachen.
Er packte Jo nas am Arm und zerrte ihn aus dem Spalt. Nur mit Mühe kam sein Cousin wieder auf die Beine. „Komm, noch ein paar Meter bis zu diesem Licht. Hast du verstanden?“ Carl hielt ihn.
„Nein, es ... geht gleich wieder. Wo sind sie hin? Am Strand lang oder in den Wald?“ , fragte Jonas.
„Sie werden zur Straße gehen.“
„Vielleicht wissen sie nicht ...“ Jonas schwieg. Er zitterte. Er fühlte sich so elend wie niemals zuvor.
„Komm schon! “ Carl legte Jonas Hand auf seine Schultern und ein Stück weit liefen sie
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