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Weltenende (German Edition)

Weltenende (German Edition)

Titel: Weltenende (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Caspari
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früher wären die Männer zum Fischen gefahren.“
    Jonas trat weiter zurück.
    „Was hat sie getan, damit es mir besser ging?“
    „ Weiß ich nicht genau. Sie hat sich mit dir für Stunden in das Zimmer eingesperrt. Spielt es eine Rolle? Sie hat sogar deinen demolierten Rücken mit einer Salbe versorgt und du siehst wieder aus wie ein normaler Mensch. Ich hoffe, du fühlst dich auch so.“
    „ Es geht. Wir sind vielleicht nicht unmittelbar in Gefahr, aber wir sitzen immer noch tief in der Patsche“, entgegnete Jonas.
    Carl kratzte sich am Kopf, wie er früher immer getan hatte, wenn er nicht wusste, was er sagen sollte. Jonas hatte ihn damit aufgezogen und er hatte es sich nie gänzlich abgewöhnten können.
    Jonas seufzte. Oben auf dem Felsen fand der nächste Patrouillengang statt und diesmal schienen sie das Meer noch genauer zu beobachten.
    Carl und Jonas stiegen die Wendeltreppe wieder hinauf, setzten sich in Hedwigs Studierzimmer und bedienten sich am Tee. Es war eine herbe Teemischung von fast kaffeeähnlicher Farbe, die sie schon unten im Turm gerochen hatten. „Seid Ihr nicht beunruhigt über die Ombrage vor der Tür?“, fragte Jonas Hedwig.
    „Ich bin die alte Frau, wie ihr und sie mich nennen. Mir werden sie nichts tun, so sind die Regeln und sie können auch nicht herein.“
    Es gab nicht viele Regeln, die zwischen Licht und Schatten existierten. Eine war, dass man eine Ernennung nicht stören durfte und das heilige Orte wie Kirchen von jedwedem Kampf außen vor blieben, denn nicht einmal die Ombrage wollte den Zorn Gottes auf sich lenken. Doch im Allgemeinen hielt sich Gott aus den Dingen heraus, dachte Jonas, und solange er das tat, waren die Regeln nur Vereinbarungen, die man brechen konnte. Traue keinem, denn es gibt keine Regeln. Ludwigs Warnung war ihm nur zu gut in Erinnerung.
    „ Seit wann weißt du von diesen Dingen?“, fragte Carl.
    Jonas erinnerte sich an den Tag seiner Ernennung und er erinnerte sich an die Zeit davor. „Es war der Sommer 2000 gewesen“, begann er zu erzählen. Es war das erste Mal beim Sommertheater. Das Stück war nur ein Klamauk für die Touristen gewesen, einer dieser Schwanks, die sie in ähnlicher Weise auf vielen Provinzbühnen in Bayern aufführten. Jonas hatte nur eine kleine Rolle bekommen, denn er beherrschte den ostfriesischen Dialekt nicht gut. Er verstand ihn, aber sprechen konnte er ihn nicht oder nur so, dass selbst ein Tourist merkte, dass er nicht von hier war. Ludwig hatte ihn dennoch haben wollen und hatte ihm eine winzige Sprechrolle mit viel Zeit auf der Bühne gegeben. Er hatte so tun müssen, als würde er Walkman hören oder Computer spielen und die halbe Zeit hatte er Chips oder Salzstangen gegessen.
    Beharrlich hatte Ludwig ihn während der Proben Leuten vorgestellt, die ein für Jonas vollkommen unverständliches und auch unangenehmes Interesse an ihm gezeigt hatten. Mitunter hatten sie darum gebeten seine Hand halten oder ihn in diesem oder jenem Licht sehen zu dürfen. Andere hatten ihn nach seiner Kindheit und seinen Eltern ausgefragt und danach, ob er Dinge sah. Aber gesehen hatte Jonas nie etwas. Er hatte das zweite Gesicht nicht, was ein Makel war, jedenfalls für jemanden wie ihn.
    Sie waren damals hinüber zur alten Frau gereist. Sie sah ihn nur an und wusste, dass er es war, dass er der richtige sei, der der ausgesucht war.
    „Ich werde das alles nicht verstehen, oder?“, fragte Carl.
    „Nimm es einfach hin. Auf der Insel erkläre ich dir mehr“, antwortete Jonas ruhig.
    Als e s dunkel wurde, saß er vor dem Fenster. Er hatte sich eine Decke umgelegt und Carl las mit einer Kerze in einem Buch, das er wahllos aus einem der Regale im Studierzimmer gezogen hatte. „Wir müssen hier raus. Ich werde langsam verrückt in diesem Turm“, sagte Carl leise.
    Hedwig war vor einer Stunde in einen der unteren Räume verschwunden und sie hörten gelegentlich Geräusche, wie von rückenden Möbeln.
    Jonas beobachtete die Lichter unten auf der Wiese. Einmal kamen Reiter aus dem Wald, die zu einem Zelt ganz am Ende ritten. Es gab so etwas wie ein freudiges Wiedersehen, eine Frau tauchte auf, Umarmungen wurden getauscht, anschließend ritt eine noch größere Gruppe wieder davon.
    „Es sind jetzt weniger dort unten“, sagte Jonas.
    „Kommen wir durch ?“
    „ Nein, so wenig auch wieder nicht. Hast du von Hedwig eine Landkarte der Gegend?“
    Carl stand auf und holte ein anderes Buch, das neben dem Kamin im Regal stand. „Das hier war

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