Weltenende (German Edition)
„Wir müssen nachsehen, ob alle Zweige an ihrem Platz sind“, sagte er schnell.
„Du willst doch nicht raus?“ Carls Stimme klang panisch.
„Nein, wir überprüfen nur die Zweige hier im Haus, den inneren Kreis“, entgegnete Jonas und schlüpfte in seinen Morgenmantel, riss den Pappkarton mit den Rest Zweigen unter dem Bett hervor und steckte vorsorglich ein paar in die Tasche.
Carl zog sich ein T-Shirt über. Seinen Morgenmantel hatte er Mathilda geliehen.
Im Wohnzimmer war kein Licht mehr. Auch Barney und Fanny hatten sich zurückgezogen, was gut war, denn ihr Schlafzimmer lag hinten zum Wald hin, und wie es aussah, hatten sie von dem Hund nichts mitbekommen. Jonas schaute nach dem Zweig an der Eingangstür. Er lag oben auf dem Hutregal, genau dort, wo er ihn hingelegt hatte. Wenn einer fehlen sollte, weil Fanny ihn vielleicht beim Putzen entdeckt hatte, dann hätte es dieser sein müssen, denn die anderen waren in den Rollladenkästen mehr als gut versteckt. Auf Nummer sicher ging er dennoch.
„Hast du die Dinger auch bei den Gästen angebracht?“ , fragte Carl.
„Die Zweige reichen zehn Meter weit. Das genügt für das ganze Haus. Außerdem will der Hund nur eine Person.“
„Bist du sicher?“
„Ja, leider .“
Carl leuchtete mit der Taschenlampe in den Hof. Der Hund war jetzt drüben bei der Scheune und verschwand im Schatten des Tores. Erst beim nächsten Blitz tauchte er ein Stück weiter rechts, dort, wo sie das Holz klein machten, wieder auf.
„ Das ist ein widerliches Vieh. Ich wünschte, wir könnten es vertreiben“, meinte Carl.
Jonas dachte daran Ludwig anzurufen, aber wenn der Strom auf der Insel ausfiel, fielen auch die Telefone aus, sogar die Handys funktionierten meist nicht mehr.
„ Ich werde die Haustür und die Küchentür abschließen“, sagte Carl.
„Das wird den Hund nicht aufhalten, falls er wirklich herein kann“, antwortete Jonas.
„Nein, aber wegen meiner Eltern; keiner soll jetzt einfach so rauslaufen können.“
„ Wir werden unsere Zimmertür offen lassen. Dann hören wir die Dielen.“
Carl schloss die Türen ab und steckte die Schlüssel in eine Schublade in der Flurkommode, wo sie sich normalerweise nicht befanden. „Wann verschwindet der Hund wieder?“
„ Spätestens, wenn die Sonne aufgeht.“
„ Und wohin?“
„Irge ndwohin, wo es dunkel ist“, antwortete Jonas. Er fragte sich nur, wie er morgen sicher gehen konnte, dass der Hund vom Hof verschwunden war. Schließlich konnte er genauso gut in die Scheune gehen oder in den Holzschober oder in die kleine Kate unten am Bach. Er durfte ihn auf keinen Fall innerhalb des Schutzzauns einschließen, wenn er ihn morgen reparieren würde.
„Ich hätte den verdammten Zaun noch e inmal prüfen müssen“, sagte Jonas. Sie standen noch immer am Wohnzimmerfenster und schauten zwischen Fannys Zimmerpflanzen auf den Hof.
„Was ist mit dem Zaun?“
Carl und Jonas fuhren herum. Mathilda stand in der Tür und drückte gewohnheitsmäßig den Lichtschalter. Natürlich geschah nichts und sie nickte wissend, als es ihr einfiel. Sie trug ein Nachthemd und Carls Morgenmantel, den sie vorne kaum zubekam. „Was macht ihr denn im Dunkeln hier?“ Sie kam herüber.
„Wir … wir haben einen Streuner beobachtet“, stotterte Jonas.
„ Genau Streuner ...“, sagte Carl noch einmal und leuchtete demonstrativ mit der Taschenlampe auf das Fenster und in den Hof.
„ Ist er groß?“, fragte Mathilda.
„Ein riesiges Vieh. Du hast ihn auch gehört, oder?“, fragte Carl fester.
Ein Blitz zuckte vom Himmel und für den Bruchteil einer Sekunde war er wieder da, gegenüber am Scheunentor und blickte mit seinen widerlich roten Augen zu ihnen herüber. Mathilda zog scharf die Luft ein. „Das ist doch kein Hund“, sagte sie leise.
Mit diesem Satz war Jonas klar, dass sie mehr wusste , und es fiel ihm wie Schuppen von den Augen. Sie war bei dem Ritual gewesen, damals. Sie hatte in der ersten Reihe gestanden, unweit von Ludwig. Er erinnerte sich sogar an den Regenmantel und den Schirm, den sie über das Handgelenk gehängt hatte. Sie war eine von ihnen.
„ Warum erinnere ich mich erst jetzt?“, fragte Jonas.
„Alles zu seiner Zeit“ , antwortete Mathilda.
„Können wir etwas unternehmen?“
„Nein, nicht vor morgen früh. Ich habe den Zaun vorhin kontrolliert; alles war an seinem Platz. Du hast nichts falsch gemacht.“
„Wie ist das Vieh reingekommen?“
Mathilda zuckte mit den Schultern. „Jemand
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