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Weltenende (German Edition)

Weltenende (German Edition)

Titel: Weltenende (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Caspari
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geschlossenen Augen. Der Sprung in die Anderswelt war schnell und heftig gewesen. Der Boden hatte ihn verschlungen und gleichzeitig ausgespuckt, so absurd es auch war.
    Das Hemd klebte an seiner Brust und ein eiskalter Nordwind pfiff über den Boden und durch den Wald. Er wollte aufstehen. Ein stechender Schmerz im Fuß erinnerte ihn unsanft an seinen Fehltritt.
    Die Hunde vermochten ihm vielleicht nicht zu folgen, aber die Ombrage konnte es. Er musste sich verstecken. Er zwang sich zu laufen und humpelte, so gut es ging, in die Richtung, die in der anderen Welt zum Hof geführt hätte; zumindest glaubte er das. Die Insel in der Anderswelt sah schon bei Tageslicht ganz anders aus, im Dunkeln wie jetzt fehlte ihm zwischen den Bäumen jede Orientierung.
    Normalerweise musste er an derselben Stelle springen, aber das würde dieses Mal nicht gehen. Die Hunde würden dort lauern und wenn nicht die Hunde, dann würde die Ombrage auf ihn warten, denn sie spürten die Stelle, so wie er die Übergänge erspüren konnte. Er würde das Risiko eingehen müssen, ein paar hundert Meter weiter zu springen, am besten nahe am Hof, am besten kam er innerhalb des Schutzkreises heraus. Mit Lennart, als sie in den Salaten der Nordstedts herausgekommen waren, waren sie auch nicht exakt an derselben Stelle gesprungen, auch wenn es nicht weit entfernt gewesen war.
    Jonas erinnerte sich einigermaßen an die Stelle seines ersten Besuchs in der Anderswelt. Er würde sie erkennen, falls er sie zufällig finden sollte. Der Wald war bis auf einige Schneereste, die ein kaum wahrzunehmendes Licht reflektierten, dunkel. Er tastete sich weiter, stieß immer wieder gegen Bäume oder Äste und nach Minuten konnte er nicht sagen, wie weit er gelaufen war oder in welche Richtung. Die Hoffnung, die Stelle zu finden, schwand.
    Der Regen fiel in großen Tropfen von den bla ttlosen Bäumen und eine bohrende Kälte umschloss ihn wie ein eiserner Mantel.
    Vorsichtig zog er den Ring vom Finger. Er war wieder warm, aber nicht heiß, dazu hatte er ihn wohl nicht lange genug getragen. Er würde ihn wieder überstreifen, sobald er nach Rabensruh zurückkehrte.
    Er irrte umher . Unter einem breiten Ast dicht an den Baumstamm gepresst, wo es weniger regnete, blieb er stehen. Er hielt das Kreuz in den Händen, als wäre es eine Waffe, und atmete tief durch. Einen Augenblick dachte er daran hierzubleiben, bis die Sonne in Rabensruh aufging, denn nur dann konnte er sicher sein, den Hunden nicht mehr zu begegnen, aber je länger er wegblieb, desto weiträumiger würde die Ombrage nach ihm suchen. Außerdem musste er auch an Tante Fanny und die anderen denken, die sich Sorgen um ihn machten.
    Er zitterte vor Kälte.
    Er wusste immer noch nicht, was er tun sollte, als ihm die Entscheidung abgenommen wurde.
    Anfangs w ar es nur ein Rascheln, fernab, vielleicht ein Reh oder Wildschwein, Waschbären oder ein Wiesel, dachte er - auf Rabensruh gab es Wiesel, manche sprachen von einer Plage, obwohl Jonas noch nie eines gesehen hatte -, doch das Geräusch kam näher und bald klang es nach Schritten und dann, ganz leise, waren dort auch Stimmen zu vernehmen.
    Jonas zögerte nicht. Er sprach leise die Worte und dieses Mal fühlte es sich an, als ob er gegen eine Wand geschleudert wurde. Er wurde zurückgerissen, als hinge er an einem Bungeeseil, ruderte mit den Armen, versuchte den Kopf nach oben zu bekommen, wo auch immer er glaubte, dass oben war, aber er torkelte nur immer schneller werdend durch einen scheinbar luftleeren Raum, ehe er erneut gegen eine Wand gepeitscht wurde. Die letzten Reste Luft wurden ihm aus den Lungen gepresst, Sternchen flackerten vor seinen Augen auf und seine Schulter fühlte sich einmal mehr wie Brei an.
    Er war benommen. Nur ganz langsam drang das Rauschen des Meeres zu ihm durch, dann roch er Algen und spürte Sand unter seinen Händen. Er hatte Glück gehabt. Kein Felsen, kein Viehgatter oder sonst irgendetwas Scharfes, Spitzes oder Hartes, auf dem er gelandet war, nur Sand, aber das reichte auch schon. Jonas drehte sich. Die Lichter über der Insel waren wieder verschwunden, nur der Mond schickte silbriges Sonnenlicht zur Erde.
    Vorsichtig stand e r auf. Ein paar Meter weiter und er wäre im Wasser gelandet. Vor ihm sah er Felsen, hinter sich den Strand entlang kam bald der Wald, der sich dräuend dunkel neben dem Meer erhob. Er wusste, wo er war. Es war beinahe die Stelle, wo sie am Morgen noch Baden gewesen waren. Er humpelte auf dem schmalen

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