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Weltenende (German Edition)

Weltenende (German Edition)

Titel: Weltenende (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Caspari
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brachte, kam wieder Bewegung in die wartenden Helfer. Sie begannen hinten, bauten eine Reihe nach der anderen auf und mussten alles noch einmal umsetzen, weil sie zwischen den Reihen zu viel Platz gelassen hatten. Marie montierte die kleinen Schilder mit den Platznummern an die Rückenlehnen.
    Die Zeit eilte davon. Die ersten Zuschauer kauften Getränke und kleine Snacks an der improvisierten Theke. Jonas hatte auch Hunger. Er besorgte sich eine trockene Bretzel und setzte sich auf die seitlichen Stufen der Bühne. Eigentlich hatten sie vorgehabt zur Imbissbude im Hafen zu laufen, aber das schafften sie nicht mehr.
    „Hast du den Ring dabei?“ Mathilda trat hinter der Stellwand hervor.
    Jonas zuckte zusammen . „Du hast mich erschreckt.“
    „Hast du ihn?“
    „Ja, habe ich.“
    „Geht es dir gut?“
    „Alles in Ordnung“, antwortete Jonas mechanisch.
    „Du hättest Carl nicht in all die Dinge hineinziehen dürfen“, sagte Mathilda scharf. „Du wirst es mit mir zu tun bekommen, wenn du noch einmal wagst, einen solchen Fehler zu machen.“
    Eine Erwiderung fiel Jonas nicht ein. Letztendlich wusste er, dass sie Recht hatte, aber er wusste auch, dass er gestorben wäre, wenn Carl nicht mit ihm in die Anderswelt gegangen wäre. Dass die alte Dame verstimmt gewesen war, hatte Jonas bemerkt, doch dass er der Grund dafür gewesen war, das war ihm nicht klar gewesen. Sie wurde gerufen und ließ ihn allein, ehe Jonas noch etwas erwidern konnte.
    Er kaute lustlos auf der Bretzel herum. Ludwig führte einen letzten Lichttest durch und nacheinander flammten ein halbes Dutzend Scheinwerfer auf, die ihn blendeten.
    Jonas ging zum Eingang , wo Carl, Fanny, Barney und auch Mathilda standen. Dem eisernen Blick der alten Frau hielt er nur mit Mühe stand. Die Tochter des Kaufmanns, Melanie, in einem bezaubernden blauen Chiffonkleid sprach mit Carl. Es sah so ungezwungen aus, wie sie miteinander lachten. Ein wenig war Jonas neidisch auf seinen Cousin. Es war unverkennbar, wie gut Melanie ihm gefiel, und doch hatte er keine Probleme mit ihr zu sprechen. Er stellte sich eine Weile dazu und obwohl er Melanies Charme gleichfalls verfiel, kam er sich wie das störende fünfte Rad am Wagen vor. Er brauchte einen Moment für sich und schlich sich unbemerkt zur Kirche hinüber.
    Die Ruhe in den alten Mauern tat ihm gut und er ging erst zu Beginn der Aufführung zurück. Er setzte sich schweigend neben Carl. Sie hatten Plätze ganz außen. Wie jedes Jahr begannen sie mit Verspätung, aber die Leute nahmen es niemanden übel, zumindest nicht im Moment und solange die Fähre später warten würde. Ludwig begrüßte das Publikum – er war Pfarrer und sprach gerne zu Menschen -, entschuldigte sich für ein halbes Dutzend Provisorien und eine Gruppe älterer Damen, die jedes Jahr vom Festland herüberkamen, gackerten schon bei der Ansage wie Hühner. „Die haben bestimmt schon ein paar Gläser Sekt gezwitschert“, raunte Carl.
    Es dauerte aber auch nicht lange, bis der Rest des Publikums auf Touren kam. Wo auch immer Ludwig diese Texte ausgegraben hatte – meist schrieb er die Stücke nicht selbst -, sie waren wirklich gut dieses Jahr. Das Publikum tobte, Freudentränen liefen über die Wangen, nur Jonas amüsierte sich nur leidlich. Die letzten Jahre, wo er selbst mitgespielt hatte, hatte es ihm mehr Spaß bereitet und jetzt, wo er im Publikum saß, vermisste er es dort vorne zu stehen, egal wie klein seine Rolle meist gewesen war. Als Publikum war man so unbeteiligt, man war nur der Voyeur, der sich ergötzte oder schmähte oder wie so oft beides gleichzeitig.
    Zur Pause dämmerte es . Die Leute liefen herum, aßen Bretzeln, tranken Sekt und trieben belanglose Konversation. Carl organisierte zwei Flaschen Bier und zog Jonas auf die Seite zwischen abgestellte Kulissen. „Du hast keinen Spaß, oder?“, fragte er.
    „Doch, doch , schon.“ Die Antwort kam zu zögernd, um überzeugend zu sein. Sein Blick fiel auf ein halbes Dutzend Raben, die auf der Pappel auf der anderen Seite saßen.
    „ Du bist auffällig ruhig, solltest mal lachen und am Stück liegt es nicht. Das ist besser als die heilige Hausfrau vom letzten Jahr.“
    Jonas erzählte ihm n ichts von Mathilda; das hätte Carl nur aufgeregt und er wäre zu ihr gegangen, hätte klargestellt, dass er alt genug sei, selbst Entscheidungen zu treffen.
    „Hey, schau mal, die beiden da!“
    Carl zeigte auf die Wiese neben den Festspielplatz. „Die kommen mir doch bekannt vor, auch

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