Weltenfresser - Die Tränen der Medusa (German Edition)
und rief: »Du verdammter Schuft! Ich war voller Sorge um dich! Ich dachte, dir wäre etwas passiert! Ein paar Straßen weiter wurden erst heute Nacht zwei Männer ermordet und du schläfst einfach hier im Schweinedreck deinen Rausch aus! Und wärst dann auch noch fast im Kerker gelandet!«
Heimlich betrachtete Tyark ihren fast kahlen Schädel und die Konturen ihres Gesichts. Er grinste entschuldigend und umarmte seine Retterin spontan. »Es tut mir leid, Zaja! Ich habe einfach etwas Zeit gebraucht, um mich selbst zu finden. Wenigstens ein wenig.«
Etwas unbeholfen umarmte sie ihn und während sie seinen Rücken tätschelte, sagte sie: »Na, ist ja gut... ich glaube aber irgendwie nicht, dass du dich selbst in irgendwelchen Kaschemmen finden wirst... rede doch nächstes Mal einfach mit Goswin oder mir!«
Sie verzog ihr Gesicht und drückte sich mit einem entschuldigenden Lächeln von ihm weg. »Können wir uns nachher begrüßen? Wenn du dich gewaschen hast?«
Rasch verließen sie die kleine Gasse und die wenigen, noch immer grienenden Zuschauer. Während sie nach Hause schlenderte, sagte Tyark mit einem Augenzwinkern: »Und für den Fall, dass ich doch mal im Kerker lande, kannst du mir ja ein paar, äh, Tricks beibringen, die du früher gelernt hast? Ich meine, als du bei dieser Kinderbande warst.«
Zaja versuchte, ihn streng anzublicken, aber schließlich musste sie doch lächeln. »Ich habe dir doch erklärt, dass dieses Leben hinter mir liegt.«
»Das mag sein – aber wer weiß, für was ich das einmal brauchen kann! Bitte...«
Schließlich schnaufte sie und sagte ergebend: »Na gut... wenn du unbedingt willst, kann ich dir später ein paar, hm, Grundkenntnisse beibringen. Es ist vielleicht ja auch nicht schlecht, wenn du etwas über Türschlösser und dergleichen weißt.«
Sie blieb kurz stehen. »Ernsthaft: Ich bin sehr froh, dass ich dich gefunden habe. Ich laufe bereits seit gestern in den Gassen dieser Stadt umher... lass uns auf den Markt gehen, ja? Du könntest dringend neue Kleidung gebrauchen... Und gegessen hast du seit gestern jawohl auch nichts mehr.«
Schmunzelnd fügte sie hinzu: »Ich bin sicher, wir finden irgendwo auch Zwiebeln für dich...!«
Sie brachten das steinerne Signum rasch zum Tempel zurück, wo sie bereits von Goswin überschwänglich begrüßt wurden. Der alte Ordensbruder schloss Tyark sofort in seine Arme und es bestand kein Zweifel darüber, dass auch Goswin sich große Sorgen über ihn gemacht haben musste – dunkel ahnte Tyark, worin diese Sorgen vielleicht auch begründet sein mochten.
Danach wurde er von Zaja streng zu einem der vielen Waschhäuser gebracht, wo Tyark die Gelegenheit nutze, den Dreck der vergangenen Tage von sich abzuwaschen. Und erstaunlicherweise ging es ihm danach besser, als hätte das Wasser auch einige der Sorgen seiner Seele mitgeschwemmt.
Tyark und Zaja verwendeten schließlich den kurzen Rest des Tages dafür, auf dem Markt Kleidung und einige Gebrauchsgegenstände einzukaufen. Zunächst etwas skeptisch, dann zunehmend begeistert hatte Tyark auch einen Stand entdeckt, an dem Teig angeboten wurde, in den Gemüse und sogar etwas Fleisch eingebacken worden war.
Er verzehrte schmatzend gleich zwei der angebotenen Lindwurmschwänze , begleitet von Zajas mildem Lächeln. Auch wenn seine Gefährtin bemüht war, ihn nichts davon merken zu lassen, so war Tyark dennoch aufgefallen, dass sie ihn heimlich beobachtete. Einerseits verspürte er einen freudigen Stich, sobald er ihre Blicke entdeckte. Doch andererseits konnte er doch nicht ignorieren, dass ein Flüstern in ihm ihn zur Vorsicht riet – ahnte Zaja vielleicht etwas von der mächtigen Gabe, die ihn ihm keimte? Oder war es vielmehr die Gabe, die etwas zu ahnen schien?
***
Abends saßen sie zu dritt in Goswins Stube. Ein warmes Feuer knisterte im Kamin und der Duft nach gebratenen Fleisch hin wohlig in der Luft. Es hatte vor einiger Zeit bekommen zu regnen und nun lauschten alle drei stumm dem rhythmischen Trommeln der schweren Tropfen auf den hölzernen Dachschindeln.
Goswin durchbrach die Stille und sagte: »Gut, dass du wieder bei uns bist, Tyark! Ich kann verstehen, dass du verwirrt...und vielleicht sogar etwas ängstlich warst, nachdem du gehört hast, was ich zu sagen hatte. Und was wir besprochen haben, bleibt unter uns.«
Tyark blickte Zaja an – doch ihr Gesicht blickte unergründlich auf den groben Holztisch zwischen ihnen herab. Goswin legte seine Hand auf Zajas Schulter
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