Weltenfresser - Die Tränen der Medusa (German Edition)
festzuhalten. Vor ihm stand Adaque – weder nackt noch in Ekstase. Er spürte, wie ihm der Schweiß den Rücken hinunterrann.
Fragend blickte ihn die Magistra an. »Was ist denn los? Geht es dir nicht gut?«
Schwach blickte er in das lächelnde Gesicht der Magistra. Ihre Stirn schien leicht zu glänzen. Tyark kniff die Augen zusammen – bei den Alten! Was für eine Vision hatte ihn gerade überfallen? Scham erfüllte seine Brust und doch, selbst jetzt noch spürte er die heiße Erregung und das kalte Grauen in sich um Oberhand ringen.
Was war nur los mit ihm! Er zwang sich mühsam, seinen Blick auf ihre Augen zu richten, deren Farbe er immer noch nicht bestimmen konnte. Hoffentlich hatte die Magistra nicht von seinen Blicken bemerkt! Mühsam presste er hervor: »Nichts, Magistra. Es geht mir einfach nicht so gut. Vielleicht ist es dieser Kräutertrunk... Bitte – darf ich jetzt gehen?«
Erneut schien sich sein Blick leicht zu vernebeln, doch Tyark kämpfte entschlossen dagegen an. Er hörte ihre sanfte Stimme: »Nun, Jäger – wenn dies dein Wunsch ist...«
Tyark stöhnte innerlich auf, als er plötzlich kalte Boshaftigkeit wie ein Schatten in ihrem sanften Gesicht zu sehen meinte. Selbst ihr liebliches Lächeln schien kalt und höhnisch auf ihn herabzublicken. Tyarks Herz raste. Warum quälten ihn diese Visionen? Ohne weitere Worte nickte er kurz und flüchtete geradezu die steinerne Treppe herunter.
Als er sich auf dem Weg nach unten seine Augen rieb, sah er erschrocken, dass ein Tropfen Blut auf seiner Hand zurückgeblieben war – als ob er Blut geweint hätte. Hastig wischte er in seinem Auge herum, bis es wie verrückt tränte, doch weiteres Blut fand er glücklicherweise nicht.
Als er aufgelöst und voll kaltem Schweiß im Lesesaal ankam, sah er Zaja, die es sich auf einem kleinen Schemel bequem gemacht hatte. Als sie Tyark erblickte, bildete sich bei ihr die ihm bereits bekannte, steile Stirnfalte. Mit verschränkten Armen und fragendem Blick wartete sie, bis er vor ihr stand. »Man, was hat das gedauert! Was hat sie dir denn noch erzählt?!«
Tyark schüttelte wie betäubt den Kopf. »Wir... ich weiß nicht. Ich meine, sie hat mit mir noch über einige Dinge meiner Reise gesprochen. Ich weiß nicht, warum sie das nur mit mir besprechen wollte...«
Zaja verzog skeptisch das Gesicht. »Ja? In der Tat seltsam, dass sie das nur mit dir besprechen wollte!«
Tyark zuckte hilflos mit den Schultern und sein nervöser Blick wanderte in Richtung des Ausgangs. »Bitte, Zaja. Können wir jetzt gehen? Mir ist nicht gut. Ich glaube, ich dieses Getränk nicht vertragen...«
Zaja blickte ihn mitfühlend an. »Was ist denn los?«
»Mir geht es einfach nicht so gut - lass uns gehen, in Ordnung?«
»Hm. Goswin ist auch schon gegangen. Ich habe auf dich gewartet. Lass uns gehen, ich will auch nicht länger als notwendig hierbleiben.«
Doch selbst als sich die schwere Eingangspforte längst hinter ihnen verschlossen hatte, kam es Tyark so vor, als versuche er vor etwas zu flüchten, vor dem es kein Entkommen geben konnte.
***
Das schwarzhaarige Mädchen war nun kein Mädchen mehr - die Schwelle, die Mädchen von jungen Frauen trennt, lag nun hinter ihr. Sie spürte ihre Schönheit, ihre Jugend, frisch wie die warmen Winde des Frühlings, welcher seinen zarten Hauch über diese Lande legte.
Die furchtbaren Szenen, die sich im heimatlichen Tal abgespielt hatten, waren nur noch blasse Schatten einer fernen Vergangenheit, welche die junge Frau nur noch an dunklen, regnerischen Tagen heimsuchten. Die beiden Schwestern hatten Ruhe gefunden in einem Kloster. Dort würden sie noch einige Zeit wohnen können, zusammen mit anderen Flüchtlingen dieser grausamen Zeit. Mit einem zärtlichen Seufzen dachte die Frau an ihre Schwester. Die Frau fühlte sich zu ihrer Schwester hingezogen, war diese doch das Einzige, was ihr in dieser Welt geblieben war.
Und doch – und bei diesem Gedanken legte sich ein Schatten in das zarte Gesicht dieses noch jungen Wesens – war dort eine Dunkelheit, drohend wie Gewitterwolken am Horizont. Nie nah genug, um sie zu sehen, aber auch nie weit genug entfernt, um sie vergessen zu können.
Die Frau unterbrach ihr Handwerk und blickte aus der einfachen Holzhütte in den Hof des Klosters, welches für kurze Zeit ihre Heimat sein würde. Sie sah ihre Schwester unter einer großen Eiche sitzen. Ihr langes, blondes Haar wehte zart im Wind, ihr makelloses Gesicht schien die Unendlichkeit des
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