Weltenfresser - Die Tränen der Medusa (German Edition)
auffiel, wie sorgenvoll die Stimmen der Kaufleute klangen.
Mit schwerer Zunge fragte er die Kaufleute, weshalb sie Daimon und Tana so sorgenvoll beobachteten.
Der eine der beiden bedachte Tyark mit einem abschätzigen Blick. »Ihr stammt nicht von hier, nicht wahr? Jedes Kind im Westen weiß, dass der Volle Blick nichts Gutes bedeutet! Unheil liegt in der Luft, es ist nur die Frage, wann und wo es ausbrechen wird... aber da die Soldaten der Markgräfin bereits an der Grenze stehen, dürfte diese Frage zum Teil schon beantwortet sein...«
Der Kaufmann schwieg eine Weile und sagte dann zum anderen: »Weiß du, wann wir zuletzt einen Vollen Blick hatten?«
Der andere zuckte verdrießlich mit den Schultern und murmelte: »Das ist lange her. Sehr lange. Als ich ein Kind war zuletzt, glaube ich.«
Sie beachteten Tyark nicht weiter und begannen wieder, über ihre Geschäfte zu reden, die ja nun unter keinem guten Omen standen.
Tyark ließ die beiden Kaufleute schließlich in der Kälte stehen und kehrte fröstelnd zum Tempel zurück.
EIN FLÜSTERN IM WIND
D ie nächsten fünf Tage verstrichen, ohne dass Tyark oder Zaja etwas von Goswin oder Adaque gehört hätten. Einmal ging Tyark zur Basilika und erkundigte sich nach ihm, erfuhr aber nur, dass der Geweihte in intensive Studien vertieft sei und nicht gestört werden dürfe. Der Bibliothekar, mit dem Tyark sprach, wirkte auch nicht sonderlich erfreut über den penetranten Gast, der nicht mehr aus seinen Hallen weichen wollte, als ob er Sorge hatte, dass Tyark den prächtigen Steinboden unnötige abnutze.
Zaja hielt täglich die Messen im Tempel ab und sorge für das seelische Wohl der zahlreichen Flüchtlinge, welche sich mit ihren Sorgen und Nöten den Großen Alten anvertrauen wollten. Tyark saß bei diesen Messen oft auf den groben Holzbänken und hielt inbrünstig die Arme auf die Brust gelegt, wie es beim Gebet üblich war. Er hoffte, dass die Großen Alten ihn leiten würden auf den Wegen, die noch vor ihm lagen. Er verstand die Pläne der Großen Alten nicht, doch er wusste, dass Weisheit und Bestimmung in ihnen lag, wie sinnlos und schwer sie auch den Sterblichen erscheinen mochten. Immer wieder frage Zaja Tyark nach dem Treffen mit Goswin – aber auch das Verhalten der Magistra schien sie nicht in Ruhe zu lassen. Tyark hatte immer nur geantwortet: »Goswin will über eine Sache Klarheit erlangen – ich verstehe sie selbst nicht so recht. Eines Tages werde ich dir alles erzählen. Oder Goswin, wenn er wieder da ist.«
Zaja hatte sich damit allerdings nicht zufriedengegeben und immer eine ganze Weile geschmollt. Schließlich hatte sie aber nichts mehr dazu gesagt.
Wie versprochen, zeigte ihm Zaja bei manchen Gelegenheiten, ihre Kunstfertigkeiten im Bereich von Schlössern und Türen. Tyark staunte, wie leicht es sein konnte, ein scheinbar solides Schloss mit einfachsten Hilfsmitteln zu überlisten! Es waren wirklich praktische Fertigkeiten, über die Zaja da verfügte, auch wenn es ihr selbst eher unangenehm zu sein schien, daran erinnert zu werden. Sie übten lange am verrosteten Schloss der Tempeltür, deren Schlüssel Goswin schon vor Jahren verloren hatte. Es kostete Tyark viel Geduld und Schweiß, bis er den Mechanismus des Schlosses verstanden hatte. Zaja erwies sich als geduldige Lehrmeisterin, obwohl Tyark oft genug wenig Ausdauer bewies und die Werkzeuge wütend von sich schleuderte.
Abends hatte Tyark Gefallen daran gefunden, in den zahlreichen Tavernen Lindburgs die große Auswahl an Bieren und sogar Weinen zu genießen. Tyark hatte nicht versucht, die Fragen Zajas nach diesen Besuchen zu erklären. Wie hätte er ihr auch erklären sollen, weshalb er plötzlich so großen Geschmack an den flüssigen Spezialitäten der Gasthäuser gefunden hatte? Seine Sorgen schienen so viel kleiner, wenn der samtige Mantel des Alkohols darüber ruhte.
Diese Ruhe wurde jäh unterbrochen, als Goswin schließlich wieder auftauchte. Das Gesicht des Bruders war bleich und es war deutlich, dass er in letzter Zeit nur wenig geschlafen hatte. Sein Bart war zerzaust, ebenso sein spärlich werdendes Kopfhaar.
Auf den fragenden Blick Tyark schüttelte er allerdings nur müde den Kopf und zuckte unmerklich mit den Achseln. Er hatte also nichts herausgefunden – oder er wollte noch nichts darüber erzählen.
Als sie später alle am Eichentisch saßen, sagte Goswin plötzlich: »Die Magistra hat euch eine zu große Bürde aufgeladen. Es...es tut mir leid, dass ihr
Weitere Kostenlose Bücher