Weltenfresser - Die Tränen der Medusa (German Edition)
sich im Halbdunkel um, doch es war nichts zu sehen. Und doch...
Er griff sich eine der wenigen Lampen und leuchtete in dem verwinkelten Kellergewölbe umher. Irgendwo hörte er das leise Fiepen einer Maus – und wieder ein leises Flüstern, das geradezu aus den Felsen der Grundmauern selbst zu kommen schien. Tyark folgte den Treppen nach unten und schritt durch einen schmalen Durchgang, an dessen Seiten Dutzende kleinerer Fässchen aufgebaut waren. Ein kalter Luftzug schien sich hier zu bewegen, ohne dass die Kerze in seiner Hand flackerte. Tyark bekam Gänsehaut und versuchte, die Dunkelheit vor sich mit dem zitternden Schein seiner Lampe zu durchdringen.
Er ging weiter durch das verwinkelte Kellergewölbe. Im hinteren Teil waren keine Weinfässer mehr zu sehen, stattdessen sah er vereinzelt altes Werkzeug und verstaubte Möbel. Hier hinten schien es auch deutlich kälter zu sein.
Vor ihm tauchte eine vergitterte Tür auf, dahinter lag undurchdringliche Finsternis. Erneut vernahm er dieses Flüstern, diesmal etwas lauter. Ein seltsames Gurgeln lag darin – und es kam direkt aus dem Herzen der Finsternis vor ihm. Tyark spürte ein kaltes Schaudern seinen Rücken herauf wandern. Die Kälte wurde schneidend. Er bemerkte nicht, wie sein Atem in kleinen Wölkchen aufstieg. Tyark blieb unschlüssig vor der Gittertür stehen und hielt die Lampe hoch, lange Schatten tanzten auf den feucht glänzenden Steinen.
Tyark nahm seinen Mut zusammen und zog an der Gittertür, die sich dann aber nur sehr schwer bewegen ließ. Ein lautes Quietschen hallte durch das Gewölbe, als Tyark sie aufzog und er zuckte zusammen. Vor ihm lag ein schmaler Gang, an dessen Seiten jeweils vier kleinere Zellen zu sehen waren. Bei den letzten beiden waren schwere, beschlagene Holztüren zu sehen, die aber sperrangelweit offenstanden. Tyark begann zu zittern, es war unglaublich kalt hier unten. Und er ahnte, dass diese Kälte nicht vom Gestein um ihn herum ausgeströmt wurde.
Plötzlich sah er eine Bewegung in der hinteren Tür. Er zuckte zusammen und hätte fast die Lampe fallen gelassen. Er spürte einen metallischen Geschmack in seinem Mund. Erneut hallte das leise Wispern durch den Gang, es lag nun nicht nur Zorn darin, sondern auch eine schwere und dumpfe Verzweiflung. Tyark spürte, wie sich seine Haare aufstellten, dann trat er in den Gang hinein. Er wusste, dass etwas dort hinten war - in der letzten Zelle. Etwas, das auf ihn wartete. Ihn gerufen hatte.
Im flackernden Schein seiner Lampe schritt er den kleinen Gang herunter, die Kälte wurde immer intensiver. Dann leuchtete er in die letzte Zelle hinein – und hätte fast laut aufgeschrien. Vor ihm kniete die Gestalt eines heruntergekommenen Mannes und blickte auf Boden. Die langen, strähnigen Haare fielen ihm auf die Schultern. Seine verkrüppelten Hände schienen etwas auf dem Boden zu suchen und kratzen lautlos über die Steine. Schwere Ketten waren an den Handgelenken angebracht.
Tyark konnte die Wände der Zelle durch die fast durchsichtige Gestalt hindurchscheinen sehen. Er hörte das Wispern des Mannes in seinem Kopf.
Dann blickte der Mann Tyark plötzlich direkt an, ohne dass Tyark hätte sagen können, dass der Mann seinen Kopf bewegt hätte. Tyark blickte entsetzt in ein entstelltes, ausgemergeltes Gesicht. Tiefe Furchen durchzogen die eingefallenen und schorfigen Wangen. Die Augen waren ausgestochen worden und nicht mehr als verschorfte Klumpen in tiefen Höhlen. Der Mann schien Tyark anzubrüllen, doch Tyark hörte nur seinen eigenen, stoßweisen Atem von den steinernen Wänden widerhallen. Dann sah Tyark, dass auch die Zunge des Mannes vor langer Zeit herausgeschnitten worden war – nur der vernarbte Stumpf bewegte sich im Schlund der Erscheinung vor ihm. Ein dünnes Lederband war um den Hals des Mannes gewickelt und hatte sich tief in sein Fleisch geschnitten. Blut war am Hals heruntergelaufen. Der Mann stand plötzlich direkt vor ihm und Tyark sprang entsetzt zurück. Der Mann kam mit drohend ausgestreckten Händen auf Tyark zu, als ob er ihn erwürgen wollte. Schmerz lag in diesem ausgeblichenen Gesicht – aber auch rasender Zorn. Tyark wich einige Schritte zurück, Grauen durchflutete seine Eingeweide. Sein Atem verteilte sich in kleinen Wolken in der Luft und schien durch das entstellte Gesicht des Mannes vor ihm hindurch zu gehen. Die Gestalt kam immer näher. Die klauenhaften Hände umfassen Tyarks Hals, er spürte eine grausame Kälte in sich aufsteigen. Es war
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