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Weltenfresser - Die Tränen der Medusa (German Edition)

Weltenfresser - Die Tränen der Medusa (German Edition)

Titel: Weltenfresser - Die Tränen der Medusa (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Sulz
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wie damals, als er gegen den Draugr in der Festung gekämpft hatte.
    Tyark begriff, dass er nur eine Chance hatte, wenn er sich konzentrierte. Wenn er die Gabe in sich weckte. Die Kälte kroch ihm in die Brust und Tyark schloss die Augen. Verzweifelt konzentrierte er sich und versuchte das zu wecken, was in ihm schlummerte. Er öffnete die Augen und fand sich plötzlich im Zwielicht wieder. Verschwommen und wabernd umgab ihn das Kellergewölbe. Und vor sich sah er eine dunkle Verzerrung, die wage an eine menschliche Gestalt erinnerte. Dies musste der Draugr sein.
    Eine machtvolle Gelassenheit durchflutete Tyark und ruhig streckt er seine Hand aus, um das von sich zu drücken, das einst eine menschliche Seele gewesen sein mochte. Dann spürte er, wie die Gestalt vor ihm zurückwich und die Kälte aus seinem Körper wich. Doch noch bevor Tyark reagieren konnte, spürte er, wie er wieder in seinen Körper zurückgezogen wurde. Hastig versuchte er, sich dagegen zu wehren, doch bevor er überhaupt einen klaren Gedanken fassen konnte, war er bereits in seine fleischliche Hülle zurückgeglitten.
    Tyark spürte sein Herz rasen und nur langsam konnte er seinen Atem wieder kontrollieren. Er blickte in die kleine Zelle vor ihm. Die Gestalt war verschwunden. Mehr als schwere, eiserne Ringe an der Wand konnte er nicht sehen. Dann bemerkte er, dass an den Bodensteinen kleine Kerben zu sehen waren. Er fuhr mit seinem Finger über die nicht sonderlich tiefen Rillen – und dann wurde ihm klar, was er sah. Es waren Striche, die zum Zählen gedient haben mussten! Er trat erstaunt einen Schritt zurück und blickte sich um – Nicht nur der Boden, auch die Wände waren voll von Strichen. Es mussten Hunderte sein.
    Ihm schauderte, als er an die ausgemergelte, klägliche Gestalt denken musste, die er gesehen hatte. War der Gefangene hier umgekommen? War er hier ermordet worden, womöglich nach Jahren oder gar Jahrzehnten der Gefangenschaft? Geblendet und verstümmelt? Er schluckte und wandte sich hastig um. Er floh aus diesem grauenhaften Kerker und hatte die ganze Zeit das schreckliche Gefühl, dass ihn jeden Moment Klauenhänge packen und zurück in die Schatten ziehen würden.
    Erleichtert und mit kaltem Schweiß auf der Stirn kam er wieder im vorderen Teil des Gewölbes an, wo es deutlich wärmer war. Er stieg die Treppe hinaus – und blieb dann widerwillig stehen. Er musste ein Fässchen Wein mitnehmen, ansonsten würde die Wache misstrauisch werden!
    Unschlüssig blickte er in das Gewölbe unter ihm – kein Wispern, nichts drang zu ihm heraus. Der Draugr schien verschwunden - dennoch kostete es ihn unendliche Überwindung, wieder herunterzusteigen. Hastig griff er sich das erstbeste Fass und rannte die Treppe hinaus. Oben angekommen öffnete er erleichtert die Tür und blickte in das fragende, aber gleichgültige Gesicht der Wache. »Hoher Herr! Alles in Ordnung mit Euch! Ihr ward lange dort unten, wir wollten schon nachschauen gehen...«
    Tyark schluckte und versuchte, mit fester Stimme zu sprechen. Er sagte: »Ja, ja...ich habe nur nicht sofort alles gefunden. Es war so dunkel da unten.«
    Das Dienstmädchen blickte ihn ängstlich an und sagte: »Verzeiht unsere Sorge...aber dieser Keller ist im Gesinde verrufen! Viele der Mädchen trauen sich nicht mehr hinunter, man sagt, es spucke dort...«
    Tyark blickte sie fragend an und der Wächter warf dem Mädchen einen tadelnden Blick zu. »Hört nicht auf solches Weibergeschwätz! Vor vielen Jahren war dort unten ein Kerker. Der Fürst hat ihn aber schließen lassen und seitdem wird er als Weinkeller genutzt. Dort unten sind nur Mäuse, die dem Meier das Leben schwer machen.«
    Tyark nickte bloß stumm und spürte wieder den kalten Schweiß auf seiner Stirn.
    Benommen ging er in die Hitze des Festsaales zurück, in dem sich nichts geändert hatte. Das Fässchen Wein stellte er neben sich auf den Boden und sprach in Gedanken ein Stoßgebet an die Großen Alten. Nach und nach beruhigte sich sein Herz und der Schweiß rann ihm nicht mehr den Rücken hinunter.
    Er zuckte zusammen, als plötzlich eine Hand an seinen Oberarm griff. Er wandte sich hastig um und blickte erleichtert in Goswins sorgenvolles Gesicht. Dieser brummte vergnügt: »Alles in Ordnung mit dir? Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen!«
    Tyark versuchte zu lächeln und sagte nur: »Nein, nein – du hast mich nur erschreckt...«
    Goswin gebot ihm, ihn durch die Menschenmenge zu folgen. Der Bruder dozierte

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