Weltenfresser - Die Tränen der Medusa (German Edition)
Kleidung einherging. Seufzend suchte er nach einem kleinen Lederbeutelchen, welches ihm Goswin hatte zukommen lassen. Es enthielt einige der praktischen bunten Zettel und war wohl direkt für solche Zwecke wie den Kleidungskauf bestimmt.
Sie hatten noch etwas Zeit bis zum Treffen mit dem Baron, daher verließen sie die Stadt auf Drängen Tyarks über die Gipfeltore. Diese markierten die obersten Grenzen San Lorieths und Tyark hatte das Bedürfnis gespürt, ein letztes Mal von hier aus einen Blick auf San Lorieth zu werfen, bevor seine Zeit hier endgültig zu Ende gehen würde.
Nur schmale Pfade wanden sich hier über die karstigen Hänge des gewaltigen Berges nach oben, wo in einiger Höhe der Heilige Schrein des Nomadenvolkes zu sehen war. Das kleine, von großen weißen Säulen umrandete Gebäude bildete eine Grenze, die niemand aus dem Nomadenvolk der Wüste jemals überschreiten würde, wie Muras Tyark erklärte. Ab hier begann das Reich der Götter.
Voller Ehrfurcht legte Tyark den Kopf in den Nacken und betrachtete die titanischen Hänge des Lor, die sich direkt in den Himmel zu bohren schienen. Obwohl sie bereits so hoch waren, dass sie die Ausläufer der Ehernen Sichel am Horizont gut erkennen konnten, hatten sie höchstens ein Fünftel der gesamten Größe dieses Berges erklommen!
Unter ihnen breitete sich die San Lorieth in ihrer ganzen Größe und Pracht an den Hängen und am Fuß des Lor aus. Wie Ameisen wimmelten die Abertausenden von Menschen unter ihnen durcheinander und gingen ihren Tagwerken nach. Unwillkürlich musste Tyark sich fragen, wie viele von ihnen am Ende dieses Krieges noch am Leben sein würden. War die Horde vielleicht schon auf dem Weg hierher?
Die Sonne brannte vom Himmel und schon bald waren sie beide vollkommen verschwitzt. Schließlich setzten sie sich auf einen Felsvorsprung und beobachteten eine Weile schweigend die Handvoll Pilger, die sich heute auf den beschwerlichen Aufstieg in Richtung des Schreines gemacht hatten.
Muras erklärte nachdenklich: »Ich glaube, dass für das Nomadenvolk schon allein dieser schwere und bisweilen gefährliche Aufstieg Teil ihres Dienstes an die Götter ist. Je schwerer der Weg, desto mehr können sie sich von den begangenen Sünden reinwaschen.«
»Meinst du, was funktioniert?«
Muras schnaufte belustigt. »Nein, natürlich nicht. Die Großen Alten haben uns gelehrt, dass Menschen gute und böse Essenz im Gefäß ihrer Seele tragen. Das Verhältnis der Essenzen zueinander bestimmt, wer wir sind und was wir tun. Man kann sich nicht von schlechter Essenz nicht einfach durch einen beschwerlichen Reiseweg reinwaschen.«
Er runzelte die Stirn und fuhr fort: »Allerdings glauben die Kalani etwas Ähnliches: Nach ihrem Glauben ist jedes Leben nur dazu da, Erfahrungen zu gewinnen – gute wie schlechte. Nur ein Leben ohne Erfahrungen ist danach ein verwirktes Leben. Wie merkwürdig, nicht wahr? In diesem Lichte erscheinen selbst böse Taten geradezu notwendig .
Darum waren sie sogar froh, dass ich mich dazu entschieden habe, mit dir zu gehen. Denn ich werde damit weitere Erfahrungen sammeln, die ich nach meinem Tode der Erdgöttin Gaia übergeben werde.«, er grinste, »Welche seltsamer Glaube, nicht wahr!«
Tyark nickte gedankenverloren und ließ seinen Blick über die herrliche Landschaft vor ihnen gleiten. Wie friedlich die schneebedeckten Gipfel der Ehernen Sichel am Horizont aussahen! Im Westen sah er am Horizont einige der größten Kristalle aufragen und dahinter wusste er das Meer, welches er noch nie gesehen hatte. Seine Kehle verkrampfte sich, als er sich vorstellte, irgendwann, vielleicht schon bald, nicht mehr zu sein.
Er hatte lange mit sich gerungen, doch nun standen wichtige Entscheidungen fest. Nach einer Weile atmete er tief ein und berichtete Muras davon, was ihm die Maske gezeigt hatte. Es dauerte eine ganze Weile, bis Tyark mit zunächst brechender Stimme von der toten Welt erzählt hatte, die ihm gezeigt worden war. Dass Muras‘ Götter längst zu Staub zerfallen war, brachte er aber nichts über seine Lippen. Aber er erzählte im von den gewaltigen Kuben, welche die ganze Welt langsam auffraßen.
Muras war immer bleicher geworden und als Tyark seine Erzählung beendet hatte, sackte sein Freund in sich zusammen. »So groß wie Berge? Und sie fressen die Welt? Bei den Alten... was können wir gegen eine solche Macht tun?«
Tyark ließ seinen Blick über die weiten Ebenen zu seinen Füßen streifen. Schließlich
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