WELTENTOR 2013 - Fantasy (German Edition)
so kalt wie der Schnee, durch den sie beide noch vor wenigen Stunden gelaufen waren. Aber so konnte Helgin ihn nicht liegen lassen, auch wenn Wulf im Kampf gefallen war und sicherlich einen Platz an Odins Tafel vorfinden würde. Nein, solange Wulf noch atmete, würde er ihn nicht aufgeben. Helgin hob seinen Retter hoch und hievte ihn sich auf die Schultern. Kostete es was es wollte, aber er würde nicht denjenigen zurücklassen, dem er sein Leben verdankte. Helgin schleppte sich Schritt für Schritt aus der Höhle in den Gang, den sie gekommen waren. Schnell rann ihm der Schweiß aus allen Poren, doch Wulf atmete, obwohl sein Körper kälter zu werden schien. Helgin schleppte sich weiter und sah endlich Tages-licht. Ein letzter Kraftakt und die Sonne hatte sie wieder. Helgin legte Wulf an einer dicken Wurzel ab.
„Ah, da bist du ja endlich. Hast du mir mitgebracht, worum ich dich gebeten habe?“, sagte der Schneefuchs, der wie aus dem Nichts aufge -taucht war.
„Mein Gefährte stirbt. Hilf mir!“, schrie Helgin den Fuchs an.
„Eine Sorge weniger, wenn du mich fragst. Gib mir die Perlen und du hast dir deine Belohnung verdient. Was willst du mehr? Ein Wider-sacher weniger auf dieser Welt, der dein zukünftiges Erbe bedrohen könnte.“
„Er hat mir das Leben gerettet. Ohne ihn wäre ich tot. Hilf ihm!“
„Du verkennst deine Lage, Menschenkind.“
Die Stimme des Schneefuchses klang bedrohlich. Seine Gestalt ver -änderte sich, wurde größer und menschlich. Helgin sah sich von einem auf den anderen Moment einem imposanten Wesen gegenüber, das einen normalen Mann um Längen überragte. Er hatte blondes lockiges Haar und war bis auf ein Tuch um seine Hüften vollkommen nackt.
„Du hast etwas, das mir gehört! Gib es her!“
Helgin wand sich urplötzlich in Krämpfen auf dem Schnee. Was hatte sein Gegenüber nur mit ihm angestellt?
„Schluss jetzt!“, erklang eine helle Stimme und so schnell wie Helgins Krämpfe gekommen waren, waren sie wieder verschwunden.
Eine wunderschöne Frau stand neben dem Mann.
„Wo sind sie? Hast du sie, Loki?“, fragte die Frau.
„Was denn, meine liebe Skadi? Ich weiß nicht, wovon du sprichst.“
„Und ob. Dir wäre doch jedes Mittel Recht, um mich bei meinem Mann in Misskredit zu bringen.“
„Ihr tut mir Unrecht! Wie könnten eure Perlentränen…“
Helgin sah, wie sich der Mann auf die Zunge biss.
„Ich wusste es, Loki. Du weißt ganz genau, dass Njörd es nicht gerne sieht, wenn ich um meine ferne Heimat weine. Und du wusstest, dass Nidhögg sie mir geraubt hat. Gib sie her!“
„Der Junge hat sie“, sagte Loki kleinlaut, verwandelte sich wieder in einen Schneefuchs und lief davon.
„Du hast sie? Was ist mit deinem Gefährten?“
Helgin kniete nieder, kramte aus der Tasche die Perlen und reichte sie der Frau.
„Wulf hat mein Leben gerettet, weil ich nur Augen für die Perlen hatte. Er hat die Schlange besiegt, die sie bewacht hat. Er ringt mit dem Tode. Könnt ihr nichts für ihn tun? Bitte!“, flehte Helgin.
Als sie die Perlen aus seiner Hand nahm und seine Haut berührte, wu rde es Helgin warm ums Herz.
„Du hast einen guten Freund“, flüsterte die Frau in sein Ohr und beu gte sich zu Wulf herab.
Sie nahm eine der Perlen und drückte sie in die klaffende Wunde, wä hrend sie eine weitere in Wulfs Mund schob.
„Danke. Pass gut auf deinen Freund auf! Er wird ein guter Anführer“, sagte Skadi und war so plötzlich verschwunden, wie sie gekommen war.
Helgin ging zu Wulf und war erleichterte, als er diesen ruhig atmen hörte. Er schwitzte nicht mehr, seine Haut sah wieder gesund aus und an Wulfs Arm war außer einer Narbe nichts mehr von dem Schlangen-biss zu sehen. Ein blühender Zweig lag neben Wulf, der langsam zu sich kam.
„Wo bin ich?“, fragte er.
„Wir … du hast es geschafft. Komm! Lass uns nach Hause gehen. Ich erzähle dir alles auf dem Heimweg. Und vergiss deinen Zweig nicht!“
Narrenfeuer
Sabine Gothan
Ein Häuflein morastiger Graberde genügte, um die Wunschfee in die Falle zu locken. Fyrsar triumphierte. Was für ein dummes Geschöpf, dachte er, doch einerlei, solange es nur seinen Zweck erfüllt.
Um d urch die Gitterstäbe des Silberkästchens zu blicken, musste er sich mit Macht zwingen. Ihm war fast, als glitten seine Blicke von der kleinen Gestalt ab, als verhinderte ein fremdartiger Zwang, dass er daran Halt finden konnte. Erst als er sein Augenmerk auf
Weitere Kostenlose Bücher