Weltraumpartisanen 04: Aufstand Der Roboter
wenigen Stunden nicht einen Cent gewettet hatte, befand sich auf dem Weg der Besserung. Als wir ihn von Bord holten und gleich uns auf ASTROSTAT einquartierten, war das Fieber zurückgegangen und zum ersten Mal seit einer Woche war sein Blick wieder klar. Bevor ich mich selbst zur Ruhe begab, kehrte ich noch einmal bei ihm ein.
Das Grau war aus seinem Gesicht verschwunden; seine Haut war wieder gleichmäßig ebenholzschwarz.
»Sir«, sagte er. »Stroganow hat mir von dieser Schießerei erzählt. Waren es wirklich HFs?«
»Ja«, erwiderte ich. »Daran ist leider nicht zu zweifeln «
Sein Blick verdüsterte sich. »Der General hat es also geschafft. Niemand hat es ernst genommen. Aber er hat es geschafft. Jetzt wird er die VOR mit diesen Missgeburten überschwemmen. Menschenähnliche Monster aus der Retorte. Von allen Verbrechen des Generals ist dies das abscheulichste.«
»Eines Tages wird er sich dafür zu verantworten haben«, antwortete ich.
Gern hätte ich selbst daran geglaubt. Lange genug hatte ich mich von dieser Hoffnung leiten lassen; sie hatte mir Kraft, Mut und Zuversicht verliehen. Irgendwann jedoch war mir dieser Glaube abhanden gekommen. Der General war verwundbar, das hatte unser Unternehmen Delfin bewiesen; doch keine der Wunden, die wir ihm zufügen mochten, erwies sich als tödlich. Konnte Ibaka in meinen Gedanken lesen?
Plötzlich schloss er seine Finger um mein Handgelenk. »Sir, Commander, ich flehe Sie an: Geben Sie nicht auf! Wir müssen handeln.«
»Auch wenn es nichts einbringt, Lieutenant?«
»Etwas bringt es immer ein, Sir«, gab Lieutenant Ibaka zurück. »Zumindest ein Stück Selbstachtung.«
Antoine Ibaka hatte Recht. Aber – er war nicht an meiner Stelle. Was immer ich auch anordnen mochte: Ich trug die Verantwortung für ein Schiff, das dem General nicht in die Hände fallen durfte. Irgendwann einmal mochte es der Sache der Freiheit einen entscheidenden Dienst erweisen, selbst wenn ich davon überzeugt war, diesen Tag nicht mehr zu erleben.
Ich ahnte nicht, dass er unmittelbar bevorstand.
4.
Um den Leser mit Informationen zu versorgen, über die ich zum Zeitpunkt meiner Landung auf ASTROSTAT noch nicht verfügte, ergänze ich an dieser Stelle meinen Erlebnisbericht mit Ereignissen von anderer Stelle, die ich später erfuhr.
Der Winter war hart, lang und zäh gewesen, ebenso die Verhandlungen, von deren Ausgang letztlich alles abhing. Sollte man es nun als eine Verheißung auffassen? An dem Tage, an dem Präsident John Harris im Schloss von Sanssouci, wohin er sich aus der Unrast des Berliner Großstadtlebens zurückzuziehen pflegte, den Botschafter der VOR, seine Exzellenz Sun Yen Tsan, empfing, war in diesem Teil der Welt zugleich der Frühling angebrochen.
Lediglich eine Nachbildung von Delta VII aus rostfreiem Stahl, die sich auf dem Rokokoschreibtisch erhob, erinnerte an John Harris’ ungewöhnlichen Werdegang, der ihn in knapp anderthalb Jahren vom Commander eines Raumschiffes der VEGA über den unermüdlichen Organisator des politischen wie militärischen Widerstandes gegen die Reinigende Flamme des Generals mit zwingender Konsequenz hatte aufsteigen lassen zum höchsten Amt in der EAAU, dem des Präsidenten.
Allerdings: vorerst war dies kaum mehr als ein wohlklingender Titel, dessen Machtfülle nicht einen Schritt über Europa hinausreichte. Amerika und Afrika, die beiden volkreichsten und industriell bedeutsamsten Kontinente der EAAU, befanden sich einschließlich der Hauptstadt Metropolis weiterhin in der Gewalt des Generals.
Der weltweite Aufstand hatte nicht stattgefunden. Lediglich die Völker Europas hatten sich, gestützt auf ihre jahrtausendealte Kultur, gegen den General erhoben und seine Laserbatterien ins Meer geworfen; dies jedoch erst, nachdem ein Großteil der Armee sich der Revolution angeschlossen hatte. Doch hätte die unter Opfern und Verlusten errungene Freiheit des Abendlandes keinen einzigen Tag Bestand gehabt, wären nicht die VOR als Beschützer Europas aufgetreten. Mit ihrer verstärkten Drachen-Flotte waren sie auch für die Streitkräfte des Generals ein nicht zu unterschätzender Gegner.
Der Mann, der dies angeordnet hatte, residierte inmitten der ehemals Kaiserlichen Gärten in Peking und trug den Titel eines Ministerpräsidenten: Tschou Fang-Wu. Bereits einmal, als es um die Planung des Unternehmens Delfin ging, hatte John Harris mit ihm kooperiert; damals freilich war Tschou Fang-Wu erst Verteidigungsminister der VOR gewesen
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