Weltraumpartisanen 11: Operation Sonnenfracht
Schiff. Das Luk klappte zu, die Sperre rastete ein. Über die kardanische Leiter gelangte ich in das Cockpit. Der Kommandostand eines Schweren Kreuzers der Beta-
Klasse: spartanisch, funktionell, auf ein Minimum von Bedienungselementen reduziert. Ich schwang mich auf den Pilotensitz, und die Gurte rasteten ein.
Ein Handgriff. Die Kontrollbirnen leuchteten auf. Sechsergruppen. Rot. Grün. Gelb. Keine Ausfälle. Alles auf Plus.
Es hätte auch anders kommen können. Niemand wußte, wo in diesem Schiff der Wurm wirklich saß. Eine einzige Fehlanzeige - und mir wäre gerade noch die Zeit geblieben, ein letztes Gebet zu sprechen. Ein zweiter Handgriff. Flackerndes Grünlicht. Die Fernsteuerung war abgeschaltet. War es das, was sich dieser vertrackte Eimer in den Kopf gesetzt hatte? Ein letztes Mal von Hand gestartet zu werden? Wieder ein Handgriff. Das Schiff schüttelte sich und hüllte sich in glühenden Staub. Das Triebwerk war angesprungen.
Wie lange noch bis X?
Ich hatte keine Ahnung. Alle Verbindungen waren unterbrochen.
Und nun der letzte, entscheidende Handgriff zum Regler. Raste eins: Start. Raste zwei mit gleichzeitigem Knopfdruck: Alarmstart. Lieber Gott, mach, daß der Eimer abhebt! Der Start preßte mich in die Polster. Ich rang nach Luft. Vor meinen Augen rotierten rote Nebel. In diesem alten Eimer steckte noch eine Menge Dampf. Braves Schiff.
Der Kurs war programmiert. Wenigstens damit hatte ich nichts zu schaffen. Wie hoch? 12000 Meter. Zeit zum Aussteigen.
Ich klinkte die Gurte aus, stemmte mich in die Höhe, schleppte mich mit zentnerschweren Gliedern in die Nock, verriegelt hinter mir das Schott und drückte auf den Auslöser.
Ein ohrenbetäubendes Krachen. Die abgesprengte Nock löste sich vom Schiff und schoß in den Raum hinein. Zwei, drei Minuten lang fühlte ich mich wie in einer verrückt gewordenen Zentrifuge: halbblind, halberstickt, halbtot.
Kein Oben, kein Unten -: alles nur eine einzige, wahnwitzige Rotation.
Unmöglich, einen klaren Gedanken zu fassen. Plötzlich war die Ordnung wiederhergestellt. Die drei Fallschirme hatten sich geöffnet. Unter ihnen pendelte die ehemalige Nock des Schweren Kreuzers: nun nur noch eine steuerlose abgesprengte Kapsel.
Als mich ein Helikopter der VEGA schließlich auflas -auf einem der grünen Hügel Kenias, zu denen es die Kapsel vertrieben hatte -, war es Abend geworden.
Der Pilot, ein milchbärtiger Dachs, reichte mir, nachdem ich neben ihm Platz genommen hatte, eine Feldflasche. „Für Sie, Sir."
Ich öffnete den Verschluß und roch. Mein Geruchssinn war beeinträchtigt. „Was ist das?"
„Ich denke, es wird Whisky sein, Sir."
„Seit wann gehört Whisky zum Bordinventar eines Helikopters?"
„Captain Romen hat ihn mir für Sie mitgegeben, Sir. Er sagt: Sie hätten jetzt einen tüchtigen Schluck verdient. Und er läßt ausrichten: der Eimer liegt genau auf Kurs."
Ich atmete auf. „Danke, mein Junge."
Danach tat ich, was Captain Romen mir angeraten hatte: ich nahm einen tüchtigen Schluck. Nun, da alles vorüber war, fühlte ich mich wie durch den Wolf gedreht. Selbst das Sprechen fiel mir schwer. Der Whisky scheuchte meine Lebensgeister auf. Das dunkle Massiv des Kilimandscharo kam in Sicht. Die Verladerampe war in gleißendes Licht getaucht. Die Nummer Einundsiebzig befand sich bereits auf Startposition.
Zehn Minuten später, nachdem der Helikopter mich im Camp abgesetzt hatte, betrat ich die Zentrale.
Über dem Kommandopult glommen die elektrischen Kerzen eines kleinen Weihnachtsbaumes. Richtig...
Es war Heiliger Abend. Ich hatte es völlig vergessen.
Bei meinem Eintreten sprang Captain Romen auf und eilte mir entgegen. „Alles in Ordnung, Mark?"
Er nannte mich beim Vornamen. In seiner Sorge um mein Wohlergehen mißachtete er die traditionellen Regeln der VEGA-Hierarchie.
„Alles in Ordnung, Grischa. Wie läuft der Laden?"
„Wie beim Winterschlußverkauf. Die Einundsiebzig geht gleich hoch."
„Na, großartig."
Ich sah mich um. „Haben Sie eine Ahnung, Captain, wo ich Ruth finde?"
Captain Romens Miene wurde auf einmal verschlossen. „Ich glaube nicht, daß sie im Camp ist, Sir. Mir scheint, das Warten ist ihr zu lang geworden."
Zunächst war ich lediglich überrascht, aber nach und nach gesellte sich dazu auch die Enttäuschung. Ungeachtet aller Müdigkeit hatte ich mich - nun, da ich dem Leben zurückgegeben war - darauf gefreut, den Heiligen Abend zusammen mit Ruth O'Hara zu verbringen. Was mochte sie bewogen
Weitere Kostenlose Bücher