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Weltraumpartisanen 20: Triton-Passage

Weltraumpartisanen 20: Triton-Passage

Titel: Weltraumpartisanen 20: Triton-Passage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Brandis
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weiter.
    In einer Ecke der Gerätekammer kauerte Tschang Li wie ein krankes Tier. Sie litt wie wir alle, doch als ich ihr über das Haar strich, blickte sie zur mir auf, ohne zu klagen.
    »Commandel Blandis …«
    »Wir haben's gleich überstanden, Tschang Li«, sagte ich, »gleich.«
    Ich gab ein Versprechen ab, das jeder auslegen mochte, wie er wollte. Und Tschang Li verstand mich ohnehin nicht.
    Auf den Stationen empfingen mich Wortkargheit und Apathie. Die Männer lehnten schlaff und mit blassen Gesichtern in ihren Sesseln – eingehüllt in das kalte Licht eines fremdartigen Tages. Vor Lieutenant Bokwe lag ein nicht zu Ende geschriebener Brief. Mein Blick fiel auf die Anrede: Geliebte Frau – und wanderte dann weiter.
    Die Luft zehrte sich auf. Die Energie zehrte sich auf. Der Mut zehrte sich auf.
    Der Regler des Bordsprechverbundes stand offen. Das geschaltete Mikrofon übertrug aus dem Synchrontunnel Lieutenant Minulescus qualvolles Atmen und das gedämpfte Klirren von Werkzeug.
    Er war folglich noch an der Arbeit.
    Vor einer Weile noch war er bereit gewesen, sich auszählen zu lassen; nun stand er wieder und kämpfte.
    Captain Miller döste im Cockpit. Auf seinem Gesicht lag das unruhige Licht, das der Saturn durch die Scheiben warf. Er hörte mich eintreten und schlug die Augen auf.
    »Sir, ich habe mir erlaubt, Ihre Eintragung in das Bordbuch zu ergänzen. Diese Panne ist meine Schuld.«
    Ich ließ mich in meinen Sessel fallen. Mochte er, wenn ihm danach war, mit sich selbst ins Reine kommen. Ich jedenfalls empfand ihm gegenüber keine Feindschaft mehr. Irgendwann raffte ich mich auf und hielt ihm die Hand hin, und er ergriff sie.
    Die Anzeige der Borduhr sprang auf 18.00 Uhr. Wir waren am Ende.
    Ich lehnte mich zurück und schloß die Augen.
    Der Lautsprecher knackte, und eine heisere, erstickte Stimme sagte: »Brücke – TÜ!«
    Ich kam zu mir, stellte fest, daß es 18.12 Uhr war, nahm zur Kenntnis, daß der Tod noch immer auf sich warten ließ, und drückte die Taste.
    »Ja. Ich höre.«
    Der Lautsprecher schwieg eine Weile und meldete sich erneut.
    »Es ist so weit, Sir«, sagte Lieutenant Minulescu. »Der Modul ist eingebaut – aber der Himmel allein weiß, ob er funktionieren wird. Ich habe allerhand umpolen müssen.«
    Lieutenant Minulescus Stimme war die eines zu Tode Erschöpften. Kein Wunder. In den letzten Stunden hatte er geradezu Übermenschliches geleistet. Während das ganze Schiff in Apathie versank, hatte er im Synchrontunnel gearbeitet, war er Monteur, Elektroniker und Mathematiker, alles in einer Person, gewesen.
    Mit sanftem Rauschen kündigte sich ein neuerlicher Schwächeanfall an. Ich fiel in einen schwarzen Abgrund. Irgendwann kam ich zu mir und drückte die Taste.
    »Frage: Preßluft?«
    Die Antwort ließ auf sich warten. Wahrscheinlich kämpfte der LI mit den gleichen Bewußtseinsausfällen wie ich.
    »Knapp unter zweihundert, Sir.«
    Es lag jetzt an mir: noch einmal frische, belebende Luft in die Räume strömen zu lassen – Luft, die uns eine zusätzliche Lebensfrist von knapp drei Stunden verschaffte –, oder aber sie für die Vorbereitung zu einem Start zu verbrauchen, von dem keiner wußte, wie er ausfallen würde.
    Gesetzt den Fall, der Modul versagte.
    Sobald ich den Befehl gab, das eingesackte Landebein zu verlängern, um die Explorator in Startposition zu bringen, warf ich drei Stunden Leben fort.
    Drei Stunden Leben – im Angesicht des Todes werden sie zur Ewigkeit.
    Drei Stunden, um noch einmal tief durchzuatmen. Um seine Gedanken zu ordnen und um Abschied zu nehmen. Drei Stunden, um die man den Tod überlistete.
    Vorwände! dachte ich. Alles das waren nur Vorwände. Allenfalls würde man drei Stunden länger auf ein Wunder warten, von dem man genau wußte, daß es nicht eintreten würde. Keine Rettungsexpedition war zur Explorator unterwegs. Sie war ein verstummtes, ein verschollenes Schiff, ein fünftes Rad am Großen Wagen. Auch diese drei Stunden würden verstreichen – und dann würde unweigerlich alles wieder von vorne anfangen: das stumpfsinnige Siechen, das langsame, lautlose Sterben.
    Mein Blick begegnete dem von Captain Miller. Zwei, drei Sekunden lang sahen wir einander an. Captain Miller nickte. Ich drückte die TÜ-Taste.
    »Brücke. Ich benötigte Startposition.«
    »Startposition. Aye, aye, Sir.«
    Und dann, während sich das Schiff mehr und mehr aufrichtete, hörte ich die letzte Preßluft durch die Rohrleitung in das eingebrochene Landebein

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