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Weltraumpartisanen 21: Blindflug zur Schlange

Weltraumpartisanen 21: Blindflug zur Schlange

Titel: Weltraumpartisanen 21: Blindflug zur Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Brandis
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wie es mittlerweile der Fall war, noch Monate und manchmal sogar Jahre gedauert hatten – war zum Fundament seines Wissens geworden. Dem breitschultrigen, bärenstarken, unerschütterlichen Nachkommen sibirischer Tigerjäger war, was er auf diesen primitiven Raum-Karavellen gelernt hatte, unverloren geblieben. Noch immer reichte für ihn ein einfaches sphärisches Besteck aus, um Position und Kurs zu bestimmen.
    Lieutenant Stroganow schob mir ein aufgeklapptes Buch zu. Die Abbildung auf Seite 193 war ohne Zweifel ein Foto der von uns angelaufenen Station. 
    »Die Mandarin , Sir«, sagte Lieutenant Stroganow. »2068 von der VOR für militärische Zwecke erbaut, 2071 bereits wegen technischer Mängel außer Dienst gestellt, 2072 umgerüstet zu einem Versuchslabor für telepathische Raumkommunikation. Ein Jahr darauf geriet die Plattform bei einem Verholmanöver außer Kontrolle und blieb seitdem, obwohl der Versorger Li Tai Pe umgehend auf die Suche nach ihr aufnahm, verschollen.«
    Ich entsann mich. Obwohl die VOR den Verlust ihrer Plattform nicht eingestanden, war das spurlose Verschwinden der Mandarin in EAAU-Kreisen diskutiert worden, auf der, so die Vermutung, mit der sogenannten verzögerungslosen Kommunikation experimentiert worden war, das heißt mit der Befehls- und Signalübermittlung auf telepathischem Wege: kurz Gedankenübertragung. Auch unserere Strategische Raumflotte hatte vorübergehend mit der Telepathie geliebäugelt. Die Vorzüge der VK lagen auf der Hand. Anders als die Signale der Funk- oder Lichtfunktelegrafie durcheilten ihre Impulse die unendlichen Himmelsräume ohne zeitliche Einbuße, sie waren gefeit gegen kosmische Störungen und ließen sich in der Regel auch nicht durch gezielte Einwirkung lahmlegen. 
    Raumadmiral Gremnitz, in dessen Ära diese Versuche stattfanden, hatte damals die Parole ausgegeben: ›Wer als erster die telepathische Kommunikation beherrscht, beherrscht die Welt.‹ Irgendwann waren die Experimente stillschweigend eingestellt worden. Die VOR hatten eine Weile länger durchgehalten, aber als auch ihnen brauchbare Erfolge versagt blieben, war letztlich auch den Verantwortlichen in Peking, Tokio, Hanoi und Teheran die Lust daran vergangen.
    Ich reichte Lieutenant Stroganow das Buch zurück.
    »VK«, sagte ich, »ein anderes Wort für Schwindel und Hokuspokus. Selbst Gremnitz mußte das schließlich zugeben.«
    Nun, da die Kennung der Plattform feststand, gab es keinen Grund mehr, das Dingi zurückzuhalten. Ich drückte die TÜ-Taste, und als Lieutenant Xuma sich meldete, sagte ich: »Klarmachen zum Bootsmanöver, Lieutenant.«
    Mein Bordingenieur bestätigte umgehend: »Klarmachen zum Bootsmanöver! Aye, aye, Sir. Darf ich fragen, wer mich begleitet?«
    Bei allen Bootsmanövern war Lieutenant Xuma der Dingiführer. Über den zweiten Mann im Dingi wurde von Fall zu Fall entschieden – je nachdem, wer gerade entbehrlich war.
    Durch das Bullauge blickte ich auf die verbeulte Plattform. Die ganze Angelegenheit bedurfte der Klärung. 
    »Wenn es Ihnen recht ist, Lieutenant«, antwortete ich, »werde ich selbst Sie begleiten.«
     
    Auf der Mandarin war das Energiezentrum noch in Betrieb. Das auf VOR-Frequenz abgegebene Koppelsignal des Dingis wurde mit einem hohen Summton beantwortet, und gleich darauf fuhr die Plattform ihren Rüssel aus.
    Lieutenant Xuma drehte sich nach mir um und zeigte mir lachend zwei Reihen perlweißer Zähne in einem ebenholzschwarzen Gesicht.
    »Glück, Sir!«
    Ich hob die Schultern. Der Umstand, daß die lebenspendenden Aggregate auf der Mandarin noch arbeiteten, enthob uns der Notwendigkeit, den verriegelten Einstieg aufzuschweißen: eine umständliche Prozedur. Ein Wunder war das nicht. Die meisten dieser Plattformen waren mit einem Westentaschenreaktor von nahezu unbegrenzter Lebensdauer ausgestattet.
    Die Elektromagneten faßten. Lieutenant Xuma stellte das Triebwerk ab und öffnete den Lukendeckel. Muffig riechende, aber durchaus noch brauchbare Luft schlug uns entgegen. Die Temperatur war, wie ein Thermometer neben dem Einstieg auswies, in all den Jahren kaum gefallen. Sie betrug sechzehn Grad plus.
    Die Raumstation Mandarin war intakt. Dennoch war sie verlassen. Am schwarzen Brett, gleich neben der Schleuse, hing, zweisprachig abgefaßt – einmal in der traditionellen bildhaften VOR-Schrift und zum anderen mit lateinischen Buchstaben in korrektem Metro, die letzte Botschaft der Besatzung:
    17.5.2077 Wir haben alles versucht. Niemand

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