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Weltraumpartisanen 21: Blindflug zur Schlange

Weltraumpartisanen 21: Blindflug zur Schlange

Titel: Weltraumpartisanen 21: Blindflug zur Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Brandis
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eine birnenförmige Glocke: hauchdünnes Glas vom Durchmesser eines Medizinballes. Sie stand auf einem schwarzen Podest, das über ein Teleskopauge und einen Lautsprecher verfügte. In der Glocke schwebte, von haarfeinen Drähten gehalten, ein menschliches Gehirn. 
    Das Podest sagte: »Sie müssen nicht alles glauben, was man sich über mich erzählt, Gentlemen. Ich bin kein Unmensch, der alles niedermetzelt, was ihm über den Weg kommt. Ich bin ein Admiral, der eine Flotte aufbaut. Ihr Schiff, die Florence Nightingale , habe ich in meine Flotte bereits eingereiht. Und auch was Sie angeht, meine Herren, habe ich feste Pläne.«
    Die Stimme kam aus dem Lautsprecher. Seit dem Zusammenstoß der Aggression mit der Sirius-Patrouille war sie in der EAAU jedem Schulkind geläufig. Es war die kehlige Stimme von Ahmed Khan. Captain Romen preßte die Lippen aufeinander.
    Die Schilderung des Gefechts im Schatten des Titan-Mondes bedurfte eines Nachwortes, eines historischen und eines medizinischen. Denn das, womit man es zu tun hatte, war zweifellos ein Meisterwerk der Neuro-Chirurgie.
    Bis zu einem gewissen Grad war Ahmed Khan tot. In den Flammen der waidwunden Aggression war sein Körper zu Asche verbrannt. Und dennoch war er am Leben: ein Gehirn ohne Kopf, ohne Rumpf, ohne Gliedmaßen. Eingespannt in dieses obskure elektronische Spinnennetz, kehrte Ahmed Khan in die astrale Arena zurück, und die Vendetta hörte auf sein Kommando. Sie und er waren zusammengeschlossen zu einer untrennbaren Einheit. Captain Romen schauderte, aber er bewahrte Haltung. Im Augenblick ging es lediglich darum, das Podest, die gläserne Glocke und diesen darin konservierten Restbestand eines Menschen nicht zu reizen.
    »Kommandant«, erwiderte er, »falls Sie auf ein Lösegeld aus sind, nennen Sie uns Ihre Bedinungen. Ich weise allerdings schon jetzt daraufhin, daß sich ein solches Lösegeld in einem normalen Rahmen …«
    Ahmed Khan fiel ihm ins Wort.
    »Captain, ich pfeife auf das Lösegeld. Sie und Ihre Männer sind kein Tauschobjekt. Ich habe anderes mit Ihnen vor.«
    »Und was, wenn ich fragen darf?« Auf diese Frage Antwort zu erhalten mußte Captain Romen vorerst verzichten, denn Lieutenant Anderson, der sich bislang zurückgehalten hatte, stieß ihn plötzlich unsanft beiseite.
    »Hören Sie doch auf, sich von diesem Monstrum ins Bockshorn jagen zu lassen, Captain!« rief Lieutenant Anderson. »Sehen Sie hin – ich mache kurzen Prozess damit! «
    Was Lieutenant Anderson mit diesen Worten meinte, war recht eindeutig. Er griff nach dem zum Lautsprecher führenden Kabelstrang. Wie vom Blitz getroffen hielt er mitten in der Bewegung inne. Er krümmte sich in atemloser Qual, um gleich darauf mit schmerzverzerrtem Gesicht zurückzutaumeln. 
    Ahmed Khans Stimme lachte. Nie zuvor hatte Captain Romen ein Lachen gehört, das sich gemeiner anhörte. Alle Willkür, alle Niedertracht und alle Überheblichkeit dieser Welt schwang darin mit.
    Von Lieutenant Prado und den beiden Fulgor -Piloten gestützt, massierte Lieutenant Anderson seinen verkrampften Arm. Sein Gesicht war totenbleich.
    Captain Romen stellte fest, daß er bar jeglichen Mitleids war. Der Texaner hatte eine Lektion verdient. Die elektronische Mauer, mit der Ahmed Khan das, was von ihm noch am Leben war, gesichert hatte, wäre einem Mann mit kühlerem Kopf nicht entgangen: als ein kaum merkliches Vibrieren der Luft.
    Fiorentino und Wang Fu hatten den Dingen ihren Lauf gelassen, aber sie hielten sich bereit, im Falle eines allgemeinen Aufruhrs einzugreifen: der Chief-Agent in der geduckten Haltung eines tänzelnden Karate-Kämpfers und der Erste Steuermann hinter dem kreiselnden Lauf seiner Bell. 
    Das Lachen brach ab. Der Lautsprecher sagte: »Ich habe in meinem Stützpunkt Leute mehr als genug. Diebe, Gesindel, Pack. Ich benötige Männer, die diese Leute ausbilden. Das wird Ihre Aufgabe sein. Mir fehlt es an geschulten Besatzungen.«
    Das also war es.
    Captain Romen spürte, wie eine ähnliche Woge unkontrollierter Leidenschaft, wie sie Lieutenant Anderson zum Amoklauf gegen die elektronische Mauer getrieben hatte, nunmehr auch ihn zu erfassen drohte. In diesem Gehirn, das da in der keimfreien Glocke vor ihm lag und sich im Schein der Macht sonnte, verkörperte sich alles, was er verabscheute.
    Er bezwang sich. Der Moment des Wartens war noch nicht verstrichen.
    »Der Gedanke, wir könnten uns weigern«, erwiderte er, »kommt Ihnen wohl nicht in den Sinn.«
    Der Lautsprecher schwieg.

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