Weltraumpartisanen 21: Blindflug zur Schlange
wenn er sich dafür entschieden hatte, einer sofortigen Aktion das Wort zu reden, so konnte man sichergehen, daß er über das Für und Wider gründlich nachgedacht hatte.
»Sir, unser Vorschlag geht dahin, daß wir uns nach geeigneten Waffen umsehen und den Versuch unternehmen, das Schiff in unsere Gewalt …«
Die Tür wurde aufgerissen. Lieutenant Prado verstummte. Fiorentino steckte seinen Chromkopf durch den Spalt.
»Ahmed Khan hat mir aufgetragen, Ihnen auszurichten, Captain, daß ihm Ihr Spiel gefallen hat. Er sagt, wenn Sie wollen, ernennt er Sie zum Ausbilder in Sachen Musik.«
8.
Mark Brandis,
Chef Raumnotrettungsflotte UGzRR
Eingabe ins elektronische Bordbuch
»Sir – Brücke.«
»Ich höre, Captess.«
»Es ist soweit, Sir.«
»Danke. Ich komme.«
Eine Stunde bevor die Henri Dunant eintauchte in das auf den neuen gebräuchlichen Karten als NIR 637 ausgewiesene Raumgebiet, war ich auf den Beinen.
Im Cockpit war Captess Kato mit der Überprüfung des RGs beschäftigt. Die eingespeiste Konserve mit ihren künstlichen Bezugspunkten erschien als dreidimensional wirkendes Bild. Als ich eintrat, blickte Captess Kato auf.
»Guten Morgen, Sir. Keine besonderen Vorkommnisse.«
»Guten Morgen, Captess. Lassen Sie sich nicht stören.«
Manchmal fiel es mir, gleichsam überraschend, auf, daß sie eine Frau war. Es gab genug männliche Piloten, die es nicht mit ihr aufnehmen konnten. Sie war pünktlich, gewissenhaft und selbständig. Sie verfügte über ein großes technisches Wissen und eine ausgeprägte Begabung für manuelles Manövrieren. Wenn man wollte, war sogar der immer noch nicht vollends geklärte Mandarin -Fall ein Beweis ihrer Tüchtigkeit.
Ich warf einen Blick aus dem Fenster: Leerer Raum von allen Seiten, ein Universum ohne Anfang und Ende, kaltes, gestaltloses Nichts. Zwei, drei Millionen Lichtjahre vor dem Bug, unerreichbar, eine fremde, verschlossene Schönheit, stand ungerührt das Sternbild des Drachen: zehn glimmende Perlen, aufgefädelt an einem unsichtbaren verschlungenen Band. Kein Ozean konnte tiefer sein, kein Abgrund grundloser. Vor dem Bug der Henri Dunant lag, jenseits von Raum und Leere und Leere und Raum, das verwunschene Gestade einer unvorstellbaren anderen Welt.
Captess Kato schaltete den Monitor ab.
»Alles sauber, Sir«, sagte sie, »nichts, worauf es zu achten gibt.«
Alles sauber: keine Wrackteile, kein ausrangierter Satellit, keine außer Dienst gestellte Plattform. Mit anderen Worten: Im Raumgebiet NIR 637 vorkommende Materie nicht astralen Ursprungs konnte nur die Fulgor sein.
Die Fulgor hatte sich auf dem Rückflug von Stellanorm I befunden. Weshalb sie dafür nicht die übliche, die Venus tangierende Schiffahrtsstraße benutzt hatte, ließ sich nur vermuten. Dem Kommandanten mochte es darum gegangen sein, zwei, drei Tage Zeit herauszuschinden.
Captess Kato machte auf mich – war das ein Wunder? – einen leicht abgespannten Eindruck. Dabei hatte die eigentliche Sucherei noch nicht einmal begonnen. Ich löste sie ab und schickte sie zum Frühstücken in die Messe. Danach rief ich das FK und bat um die Überprüfung der kosmischen Verhältnisse.
Ein paar Minuten später rief Lieutenant Levy zurück: »Sir …«
»Ich höre.«
»Fünfundneunzig Prozent, Sir. Ideale Bedingungen.«
Die beste mir bekannte Messung hatte bei 97 Prozent gelegen. 95 Prozent – das war eine optimale Leistung, die nur zu erreichen war, wenn weit und breit keine röntgenologische Turbulenz, sonnenkoronalen Stürme, zu Staubglocken verdichteten Meteoritenschwärme oder ziehende Energiegewitter sich als das bemerkbar machten, was in der FK-Sprache ›kosmische Störung‹ hieß. Die Pilot-Sendung, die Lieutenant Levy auf die Reise nach Las Lunas geschickt hatte, eine simple Zahlenfolge, war dort eingetroffen und zurückgeworfen worden, und bei ihrem Wiedereintreffen hatte der Energieschwund lediglich fünf Prozent betragen.
»Frage: Wann haben Sie die Florence Nightingale zuletzt gerufen?«
»Gerade eben, Sir.«
»Versuchen Sie es noch einmal.«
»Aye, aye, Sir.«
Lieutenant Levy machte kein Hehl daraus, daß er sich von diesem neuerlichen Versuch nichts versprach. Seit unserem Start vor 92 Stunden hatten wir die Florence Nightingale mit wechselnder Leistung im 60-Minuten-Intervall gerufen. Falls sie noch Ohren hatte, hätte sie uns irgendwann hören müssen; falls sie noch über die Gabe der Sprache verfügte, hätte sie irgendwann einmal bestätigen müssen.
Ich sah auf
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