Weltraumpartisanen 26: Ikarus, Ikarus...
vom Beten hatte Gumboldt noch nie etwas gehalten. Das Grinsen - Minkowski dachte es - war ihm zumindest vorläufig vergangen. Gumboldts Lippen waren so sehr verkniffen, daß sie aussahen wie ein weißer Strich.
Bubnitschs Blicke wanderten zwischen den Monitoren und den Anzeigen des ASTROMATEN hin und her. In der Symbolsprache der Signale sowie im verschlüsselten Code der sich formierenden und wieder auseinanderstrebenden Zahlenkolonnen war er bewanderter als jeder andere. An ihm lag es, das erlösende Wort zu sprechen. Seine rechte Hand, die auf dem Pult lag, folgte wie eine Marionette dem Rhythmus der Kolonnensprünge. Mal ballte sie sich zur Faust, mal entspannte sie sich wieder.
Der Boden unter den Füßen vibrierte.
Das Triebwerk gab so ziemlich alles her, was in ihm steckte: dreißig Prozent mehr als zulässig. Minkowski prüfte die Temperaturanzeige. Auf die Dauer konnte das nicht gut gehen. Das Material, das einer solchen Überbelastung standhielt, war noch nicht erfunden.
Minkowskis Gedanken arbeiteten kühl und klar.
Ein Fehler im Programm, dachte er, und schon sahen sich die Räuber um ihre Beute geprellt. Mehr freilich stand für sie nicht auf dem Spiel. Im schlimmsten Fall konnten sich Gumboldt, Douglas und Bubnitsch, wenn auch Hals über Kopf mit leeren Händen - mit der
Barrakuda absetzen und ihre Haut in Sicherheit bringen. Das Schicksal der auf dem Ikarus Zurückbleibenden freilich würde besiegelt sein.
Minkowski zuckte zusammen, als das Triebwerk hustete, aber gleich, darauf weiterröhrte. Er schickte ein Stoßgebet zum Himmel. Den gab es sicher auch, jenen anderen, an dem kein Mensch zu rühren vermochte.
Bubnitschs Lippen bewegten sich plötzlich.
„Er kommt!“ Erst war es nur ein Krächzen. Dann wurde daraus der erlösende Schrei: „Er kommt! Er kommt! Er kommt!“
Der Schub wirkte sich aus. Der Ikarus begann - mit der aufreizenden Trägheit des berühmten Karrens, der aus dem Dreck gezogen werden, muß - von seiner verhängnisvollen Kurslinie abzuweichen. Auf dem Monitor, auf dem die beiden Kurse eingeblendet waren - der anliegende als auch der neue -; konnte man es ablesen, wie der Planetoid Zoll um Zoll in Richtung auf den Merkur abschwenkte.
Douglas wartete nicht länger auf die Reaktion des ASTROMATEN. Um die Kursänderung zu stabilisieren, stieß er den Regler nach vorn, und die noch in Reserve gehaltenen Schubschwadronen galoppierten an.
Minkowski erhob keinen Einspruch. Auf diesen Augenblick kam es an. Ob das Manöver zum Erfolg führte oder nicht: die Tage des Triebwerks waren ohnehin gezählt.
„Er kommt! Er kommt! Gleich haben wir’s geschafft! Weiter so! Weiter!“
Bubnitsch brüllte wie im Fußballstadion.
Gumboldt klemmte sich eine frische Zigarre zwischen die Zähne.
Und das Triebwerk setzte aus.
Einen Herzschlag lang - lang wie die Ewigkeit - herrschte im Schaltraum Totenstille. Dann führ Piet Gumboldt herum.
„Los, los, los, Mann! Bringen Sie die verdammte Mühle wieder in Gang!“
Minkowski hob die Schultern.
„Ich werd’s tun, sobald Sie mir sagen, wo die nächste Tankstelle ist.“
Gumboldt schluckte.
Und Bubnitsch stöhnte:
„Er schwenkt zurück! O Gott, er schwenkt zurück!“
Gumboldt ließ die Zigarre fallen.
Das Urteil war gesprochen. Mit etwas mehr Treibstoff wäre das Verhängnis abzuwenden gewesen, aber nun, da das mächtige Triebwerk im Herzen des Planetoiden zur Untätigkeit verdammt war, versagte jede menschliche Anstrengung. Die kosmische Gesetzmäßigkeit gewann die Herrschaft über den Ikarus zurück. Der Ikarus nahm seine todbringende Bahn wieder auf. Ob der Ikarus in die Sonne stürzte oder sie lediglich mit hautnahem Abstand passierte - darauf kam es nicht an. An den Fingern einer Hand ließ es sich ausrechnen, wann auf ihm das Leben zu Asche würde.
Arch Douglas sprang plötzlich auf. Sein Blick irrte wie ein gehetztes Kaninchen zwischen dem Teamchef und dem Navigator hin und her.
„Worauf warten wir? Wir müssen weg, solange das noch möglich ist!“
Bubnitsch stimmte ihm zu, indem er seinen Platz vor den überflüssig gewordenen Kontrollgeräten räumte.
„Genau so ist es, Mr. Gumboldt!“ sagte er. „Wir sind mit Ihnen durch dick und dünn gegangen, aber jetzt ist Schluß. Die Sache ist schiefgegangen. Wenn wir noch länger zögern, laufen wir Gefahr, daß die Barrakuda verglüht. Jetzt haben wir noch eine reelle Chance.“
Douglas wie auch Bubnitsch waren Männer vom Fach, erprobte Astronauten und
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