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Weltraumpartisanen 29: Zeitspule

Weltraumpartisanen 29: Zeitspule

Titel: Weltraumpartisanen 29: Zeitspule Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Brandis
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die Frachtpapiere in Empfang.
    »Wir haben zu danken, Commander.«
    »Nicht mir«, erwiderte ich. »Bedanken Sie sich bei den Frachtschiffern.«
    »Das wird in aller gebührenden Form geschehen. Gab es Zwischenfälle auf der Reise?«
    »Wir sind ganz gut durchgekommen.«
    »Na, wenigstens was … Wenn ich jetzt den Empfang der Ladung quittieren darf  –«
    Eine Unterschrift, ein Stempel: Die elementaren Ordnungsmechanismen, ohne die sich ein 50-Millionen-Einwohner-Koloss nicht dirigieren läßt, waren wieder in Betrieb gesetzt.
    Die Welt – kaputt? Für die einen mochte sie das sein: kaputt, ohne Hoffnung, ohne Zukunft. Doch es gab auch die anderen – jene, die nicht aufgaben. Durch das, was hinter ihnen lag, mochten sie voller Wunden, Beulen und Narben sein. Aber kaputt waren sie nicht. Sie standen immer wieder auf, um heil zu sein. Spinni sprach manchmal Dinge aus, die gar nicht so gesponnen waren. Wie hatte er sich ausgedrückt? Es lag mir auf der Zunge, aber es fiel mir im Wortlaut nicht ein. Und doch – es hallte in mir nach.
    Auch Platztaxis gab es wieder. Ich beurlaubte die Crews – meine eigene und die der anderen Schiffe mit dem Johanniterkreuz – bis zum nächsten Morgen und ließ mich zum Hauptgebäude fahren.
    Ruth kam mir entgegen: sie mußte mich vom Fenster ihres Büros aus gesehen haben, als ich die Henri Dunant verließ.
    »Mark!«
    »Ruth!«
    Ihr rotes Haar schwang im Takt ihrer Schritte.
    »Bist du wohlauf?«
    »Und du?«
    Atemlos blieb sie stehen, einen Arm nach mir ausgestreckt. Der andere umklammerte den Wicht, der mich mit unergründlichen Blicken begutachtete.
    Ich ließ die Tasche fallen, um beide, Ruth und Wicht, in die Arme zu schließen.
    Jemand hinderte mich daran.
    »Commander Brandis!«
    Ich drehte mich um. Ein junger Mann hielt forschen Schritts auf mich zu. Er trug die Uniform eines VEGA-Kommunikators und schwenkte das orangefarbene Formblatt eines notierten Funkspruchs.
    »Entschuldige, Ruth!« sagte ich. Dann streckte ich die Hand aus! »Für mich?«
    Der forsche junge Mann warf einen Blick auf den angehefteten Laufzettel.
    »Commander Brandis via Raumnotwache Las Lunas. Kam gestern auf dem Umweg über Timbuktu hierher durch. Offenbar waren Sie selbst nicht zu erreichen. Die Übermittlung ließ leider zu wünschen übrig. Wenn Sie freundlicherweise unterschreiben wollen …«
    Er hielt mir den Block hin. Ich quittierte und stopfte mir das Formblatt ungelesen in die Tasche. Die Pflicht mochte warten.
    Gleich darauf lag Ruth an meiner Brust. Das menschliche Bündel stieß ein paar Mal mit den Füßen nach mir, doch als es begriff, daß ich mich davon nicht beirren ließ, wurde es still und friedlich. Als Ruth sich von mir löste, strich sie ihm über den widerspenstigen Haarschopf.
    »Merkst du was?«
    »Was?«
    »Er schläft. Jetzt ist die Welt für ihn in Ordnung.« Ruth sah mich an. »Ich bring dich nach Haus. Wie soll’s sein: auf dem kurzen oder auf dem langen Weg?«
    »Harris hat Zeit bis morgen.«
    Ruth schüttelte ein wenig den Kopf.
    »Morgen«, wiederholte sie. »Ich habe fast schon vergessen, daß man in solchen Zeiträumen denken kann. Meist hat man genug damit zu tun, mit dem Jetzt zurechtzukommen.«
    In Ruth ging etwas vor, was ich nicht begriff. Als ob sie sich in der Wiedersehensfreude völlig verausgabt hätte, überließ sie sich nun der Bitterkeit.
    Wir bestiegen den Aufzug zum Parkdeck. Bevor sich die Glastür schloß, fiel mein Blick auf das Haupttor. Die erst vor kurzem entfernten Barrikaden waren wieder aufgebaut. Ruth beantwortete meine Frage, ohne daß ich sie auszusprechen brauchte.
    »Man rechnet mit neuen Unruhen, Mark.«
    Der Aufzug trug uns im Eiltempo aufwärts. Auf dem Gelände der VEGA brauchte man zumindest mit Strom nicht zu sparen. Auf das kleine Gezeitenkraftwerk hinter den Werften war Verlaß. Der Rhythmus der atlantischen Atemzüge hatte sich nicht verändert. Das Wasser stieg, und das Wasser fiel – wie seit eh und je.
    »Willst du mir nicht sagen, was los ist, Ruth?«
    Ruth O’Haras Stimme hörte sich an wie eine geborstene Glocke: widerstrebend und brüchig. Ich spürte, wie sehr sie sich zusammennahm, um nicht alles Elend, unter dem sie litt, laut hinausschreien.
    »Ja, hast du denn keine Ahnung, Mark?«
    Es waren nicht die Worte, es war der Ton, was mir die Augen öffnete. Während ich die Konvois durch einen feindlichen Himmel lotste, hatte sie die Stellung gehalten: Tag für Tag, Minute für Minute, Schritt für Schritt. Ihr

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