Weltraumpartisanen 30: Die Eismensch-Verschwörung
Mitleid zur Nachgiebigkeit verleiten zu lassen.
Was ihn gesprächig werden ließ, war nicht etwa Schmerz. Er hatte kein Empfinden. Doch sein Computerverstand riet ihm zur Geständnisfreudigkeit, um die sich anbahnende Schmelze in seinem Inneren zu verhindern.
Ruth stellte die nächste Frage.
»Wer gab Ihnen den Auftrag?«
Diesmal zögerte er nicht. Der Selbsterhaltungstrieb gehörte mit zu seinem Programm.
»Die Reinigende Flamme.«
»Und was hat das mit meinem Mann zu tun – mit Commander Brandis?«
»Ich hasse ihn.«
»Sie werden niemanden umbringen«, sagte Ruth – immer noch mit jener sonderbaren Ruhe, von der sie sich seit ein paar Minuten erfüllt fühlte. »Sie werden kein Unheil mehr anrichten, weil ich Sie aufhalte.«
Im Korb lag ein letztes Holzscheit. Ruth warf es in die Flammen, hob den Korb auf und stürzte hinaus. Von früheren Besuchen wußte sie, wo das Kaminholz gestapelt lag.
Sie füllte den Korb, faßte ihn mit beiden Händen und schleppte ihn ins Haus zurück. Der Korb war schwer, aber sie setzte ihn unterwegs kein einziges Mal ab. Sie keuchte durch den Flur, stieß die Tür zum Kaminzimmer auf – und blieb entsetzt stehen.
Das Feuer im Kamin war erloschen. Das letzte Scheit, das sie in die Glut geworfen hatte, schwelte unlustig.
Und es war kalt.
Die Tür zur Veranda stand sperrangelweit offen.
An den Spuren im Schnee ließ es sich ablesen, welch ungeheure Anstrengung es den Homaten gekostet haben mußte, sich aus der Erstarrung zu lösen. Der Wille, der in ihm steckte, war gewaltig. Er war erschreckend.
Ruths Blick folgte der Spur, sie führte zur Straße: anfangs mit dem abgezirkelten Schritt eines Roboters – doch schon nach ein paar Metern durch Frost und Kälte mit immer größer werdenden Sätzen.
Der Homat war noch nicht geschlagen. Im Augenblick hatte er es lediglich nötig, sich wieder in Form zu bringen – irgendwo, in einem sicheren Versteck.
Ruth stellte den schweren Korb ab.
Es war ein Fehler gewesen, ihn aus den Augen zu lassen. Sie hätte ihm einheizen müssen bis zu seiner Vernichtung – und wenn nicht mit Holz, dann eben mit Maschas Möbeln, mit den Büchern.
Die Chance war verpaßt.
Sollte sie jetzt auf den »echten« Boris Stroganow warten – immer in der Furcht, damit in die nächste Falle zu laufen, die der unheimliche Eismensch ihr stellte. Und da die Reinigende Flamme hinter ihm stand, mußte sie damit rechnen, daß die Verschwörer überall anzutreffen sein konnten – auch in den Reihen des MSD …
Als Mascha Stroganow eine Weile später ins Kaminzimmer kam, um den Tisch zu decken, fand sie darauf einen eilig beschriebenen Zettel vor.
Sei lieb, kümmere Dich um Junior. Später erkläre ich Dir alles. Ruth.
Dann fuhr draußen der Bus vor, und Mascha traute ihren Augen nicht, als sie ihren Sohn aussteigen sah – Boris Stroganow, der doch eben schon zu Hause gewesen war.
13.
Im ungeheizten Reisebüro war es ebenso kalt wie anderswo auch, und wenn es nach dem Willen der Verkäuferin hinter dem Buchungscomputer gegangen wäre, hätte der Laden gar nicht erst zu öffnen brauchen. Aber er gehörte nun einmal zu jenen staatlichen und halbstaatlichen Dienstleistungsbetrieben, die auch in dieser Krisenperiode nicht geschlossen werden durften. Und deswegen summte der Buchungsautomat.
Der Blick der Verkäuferin ging durch eine Lücke zwischen den Eisblumen auf der Schaufensterscheibe hinaus zu der rothaarigen Frau, die seit einiger Zeit offenbar entschlußlos unter der Hochstraße stand und dann und wann herübersah.
Für die ungewöhnliche Kälte, von der Metropolis heimgesucht wurde, war die Frau, fand die pelzvermummte Verkäuferin, viel zu leicht angezogen.
Ruth O’Hara fror in der Tat zum Gotterbarmen. Und sie hielt sich kaum auf den Beinen. Sie war erschöpft, müde, hungrig. Und sie fror. Den Bus zu nehmen, hatte sie nicht gewagt – in der nicht unbegründeten Furcht, darin wieder auf den Homaten zu stoßen. Sie war zu Fuß gegangen, den langen weiten Weg. Und jetzt stand sie hier, unter der Hochstraße, wo es nicht ganz so windig war, warf ab und zu einen Blick hinüber zum Reisebüro und versuchte sich im übrigen davon zu überzeugen, daß niemand ihr gefolgt war.
Sie spürte, wie die entsetzliche Kälte ihre Gedanken lähmte – und sie war sich darüber im klaren, daß sie Gefahr lief, im Stehen einzuschlafen. Dabei benötigte sie dringender denn je einen klaren Kopf.
Woran hatte sie eben noch gedacht?
Es war wichtig
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