Weltraumzirkus d'Alembert - 1-5 - Die Geheim-Agenten des Imperiums
beinahe ausrutschte. Er bückte sich und sah nun, daß es eine frische Blutlache war.
Die Lache wurde von einem kleinen Rinnsal gespeist, das unter einer großen umgedrehten Schachtel seinen Ursprung hatte. Jules ging näher und hob den Karton an.
Vor ihm lag Rowe Carnery. Der Pirat war geknebelt und gefesselt. Handgelenke und Kehle waren durchschnitten. Seine Kleider waren blutgetränkt, die Augen starrten in glasigem Entsetzen. Er mußte schon eine ganze Weile dagelegen haben.
Dieser Anblick erschütterte sogar Jules' eiserne Nerven. Er rückte den großen Karton wieder zurecht und trat einen Schritt zurück. Jules mußte sich an die Mauer lehnen, um einen klaren Gedanken fassen zu können.
Im Kampf gegen Pias Nav war die Endrunde erreicht. Yvette würde für einen so barbarischen, kaltblütig begangenen Mord keine Entschuldigung finden können. Dieser Mann war ein erbarmungsloser Mörder, dem Vertrauen zu schenken purer Leichtsinn war.
Rowe Carnery war ihm gleichgültig. Auf diesem Planeten hatte praktisch jedermann ein seitenlanges Sündenregister vorzuweisen. Jules ließ es fast kalt, wenn die Halunken sich gegenseitig aus dem Weg räumten. Aber seine Schwester war ihm nicht gleichgültig. Sie mußte alle Tatsachen erfahren, ehe sie sich mit dem Spieler von Newforest näher einließ.
Er sah dieser Aufgabe mit größtem Unbehagen entgegen.
Wie er befürchtet hatte, nahm Yvette sich die Sache sehr zu Herzen. Er war in ihre Wohnung zurückgekehrt und hatte auf ihre Rückkehr gewartet. Ein kurzes Handzeichen gab ihr zu verstehen, daß er mit ihr etwas unter vier Augen zu besprechen habe. Sie unternahmen daher einen ihrer gewohnten Spaziergänge. Er berichtete ihr, daß er Helena gefunden und ihr eine Nachricht hinterlassen hätte, was Yvette in große Erregung versetzte. Und während sie sich noch in Hochspannung befand und sich bereits den Kopf zerbrach, wie es nun weitergehen sollte, sagte er ihr, was er entdeckte, nachdem er Helena die Nachricht hinterlassen hatte.
Yvette war wie erstarrt. Sie setzte sich auf einen großen Stein und starrte vor sich hin. »Ich kann es nicht glauben«, murmelte sie halblaut.
»Ich werde dich doch nicht anlügen!«
Sie schüttelte den Kopf. »Das weiß ich. Nur ... ich kenne doch Pias. Oder wenigstens glaubte ich ihn zu kennen. Nie hätte ich ihm das zugetraut. Sicher, er hatte seine Fehler, aber im großen und ganzen schien er Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen. Bestünde nicht die Möglichkeit, daß jemand anderer den Mord beging und er nur zufällig über Carnerys Leiche stolperte?«
Jules räusperte sich. »Nun ja, möglich wäre es immerhin. Aber am Ende einer dunklen, schmalen Gasse, wo er eigentlich gar nichts zu suchen hatte? Und nachdem ich seine Miene in Carnerys Kabine an Bord des Schiffes sah? Vielleicht eins zu einer Milliarde, daß er nichts damit zu tun hat.«
Yvette schloß die Augen und senkte den Kopf. Jules wußte, daß sie gegen einen Tränenschwall ankämpfte. »Tu as raison, wie immer. Ich wußte es ja, aber ich mußte diese Frage stellen.«
Langsam schüttelte sie den Kopf. »Von Anfang an wußte ich, daß zwischen Pias und Carnery etwas nicht stimmte, Pias' Ton veränderte sich, wenn er von Carnery sprach. Doch schien die Sache einseitig. Carnery nahm keine Notiz von ihm.«
Sie schlug mit der Faust auf den Stein, auf dem sie saß. »Ach Pias, warum nur, warum? Warum mußtest du das tun? Warum mußte es hier und ausgerechnet jetzt sein? Warum mußte alles so kommen?«
Jules legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Leider habe ich keine Erklärung zur Hand.«
»Letzten Monat wurde ich dreißig, und bin noch immer ›zu haben‹, wie es so schön heißt. Du mußt zugeben, daß dies in unserer Familie sehr unüblich ist. In diesem Alter sind die Frauen meist verheiratet und versorgen bereits große Familien.«
»Nun ja, du stellst selbst in unserer Familie eine Besonderheit dar. Mann und Kinder kann schließlich jede Frau haben. Aber wie viele haben das Imperium so oft gerettet wie du?«
Yvette sah auf. Sie lächelte unter Tränen und drückte ihrem Bruder die Hand. »Mon frere, du hast die Gewohnheit, berufliche Belange in den vertraulichsten Gesprächen mit aufs Tapet zu bringen. Ja, natürlich hast du recht, ich habe höhere Verpflichtungen. Wir haben außerdem genügend Angehörige, die sich eifrig bemühen, die Familie nicht aussterben zu lassen. Wir aber müssen an die Arbeit.«
Ihre Augen waren trocken, die Stimme ruhig. Sie zitterte
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