Weltraumzirkus d'Alembert 6-10 - Letzter Einsatz
Panne hatte, dann hätte er die Tür für sie gar nicht geöffnet. Also mußte sich jemand daran zu schaffen gemacht haben.
Helena war keine richtige Feldagentin, sie war aber an der Akademie des Service of the Empire ausgebildet worden, und was man ihr dort beigebracht hatte, war sehr nützlich. Blitzartig erfaßte sie die Situation. Ihre momentane Position im Eingang zu einem dunklen Raum mit hellem Licht im Hintergrund machte sie zu einer Silhouette, die für den im Raum Befindlichen ein ideales Ziel bot. Versuchte sie jetzt den Rückzug hinaus ins Helle anzutreten, würde sie sekundenlang noch immer Ziel sein, ehe sie aus dem Sichtbereich kam. Am günstigsten war es, sie ginge weiter, hinein in die Dunkelheit.
Helena schnellte nach rechts weg, weil sie wußte, daß dort ein weicher Teppich lag. Kaum hatte sie den Eingang hinter sich gelassen, als die Tür lautlos zuglitt und der Raum in totale Finsternis getaucht wurde. Sie fing den Fall mit der rechten Schulter ab und rollte weiter, bis sie mit dem Rücken an der Wand zu liegen kam. Dann richtete sie sich zur Kauerstellung auf, wobei sie unwillkürlich ihre eigenen etwas unbeholfenen Bemühungen mit den geschmeidigen fließenden Bewegungen verglich, die die d'Alemberts bei demselben Manöver vollführt hätten. Mit der Rechten faßte sie nach dem Minibetäuber, den sie immer bei sich hatte.
Aus der dunklen Raummitte, wo die große Couch stand, kam eine weibliche Stimme. »War das nicht ein ziemlich melodramatischer Auftritt?«
»Wer sind Sie?« Helena mußte viel Willenskraft aufbringen, damit ihre Frage gelassen klang.
»Lassen wir die Fragerei. Sie wissen, wer ich bin.«
Und Helena wußte es. Sie hatte die Stimme von einem Videoband gehört, das auf dem Asylplaneten sichergestellt worden war. Dieses Band hatte sie unzählige Male abgespielt. Die spröde Kälte, die kristallklare Aussprache konnte nur einem Menschen gehören - nämlich Lady A, dem Haupt der mächtigsten Verschwörung, die je das Erdimperium bedroht hatte.
Mit dieser Erkenntnis war das Wissen verbunden, daß der Minibetäuber in ihrer Hand ihr nur wenig nützen konnte. Aimee Amorat hatte vor langer Zeit ihren Verstand in einen vollkommenen Roboterleib verpflanzt. Ein Betäuber konnte ihr nichts anhaben, da sie kein Nervensystem im biologischen Sinn besaß. Dennoch hielt Helena den Betäuber für den Fall schußbereit, daß Lady A ihre Freunde mitgebracht hatte.
Sich zur Ruhe zwingend, sagte Helena nun: »Also gut, Aimee, ich weiß, wer Sie sind. Was wollen Sie?«
»Also, erstens möchte ich mir etwas mehr Höflichkeit ausbitten. Wenn Sie mich schon nicht als Kaiserin anerkennen, so tut es auch ein einfaches ›Euer Gnaden‹. Ich war immerhin Herzogin von Durward, liebes Kind, und daher im Rang über Ihnen.«
»Ich bin nicht Ihr liebes Kind«, ließ sich Helena vernehmen, »und Sie sind im Rang nicht über mir. Und Sie haben auf meine Frage noch nicht geantwortet.«
»Sie können Ihr Spielzeug ruhig wegstecken. Es schüchtert mich nicht ein. Wenn ich Ihren Tod wünschte, dann wären Sie tot. Ich hätte Sie bereits auf dem Asylplaneten töten können, wenn es mir in meine Pläne gepaßt hätte. Aber es wäre sinnlos, Sie zu töten. Sie sind zu leicht ersetzbar.«
Helena schäumte innerlich wegen dieser Unverschämtheit, äußerlich bewahrte sie Ruhe. Indem sie unauffällig auf die Couch zuging, sagte sie: »Warum sind Sie denn hier?«
»Ich möchte Ihnen ein Angebot machen.«
»Das einzige, was ich von Ihnen annehme, wäre bedingungslose Kapitulation.«
»Ihre Naivität wird ebenso groß wie Ihre Anmaßung. Das Angebot ist an Ihren Vater gerichtet, und nicht an Sie. Aber ich traue Ihnen zu, ihm mein Angebot wortgetreu zu übermitteln. Betrachten Sie dies als Kompliment.«
»Von Ihnen möchte ich keine Komplimente.«
»Keine Angst, Sie werden kaum welche bekommen. Setzen Sie sich, fühlen Sie sich wie zu Hause.«
Allmählich hatten Helenas Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt. Sie konnte nun die Umrisse von Lady A vage am Ende der messingverzierten Ledercouch ausmachen. Andere Besucher sah sie nicht. Helena dachte an die Strahlerwaffe, die sie im Schlafzimmer versteckt hatte, und rechnete sich die Chancen aus, an die Waffe heranzukommen, ehe ihre Widersacherin sie daran hindern konnte.
»Falls Sie an irgendwelche Dummheiten denken sollten«, fuhr Lady A beiläufig fort, »so lassen Sie sich gesagt sein, daß ich die Waffe bereits entfernt habe, die hier so achtlos herumlag.
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