Weltraumzirkus d'Alembert 6-10 - Letzter Einsatz
Als ranghoher Offizier des Service of the Empire aber befand sie sich in einer Position, die es ihr gestattete, ein paar Regeln zu durchbrechen. Sie hatte eine arbeitsreiche Sechzigstundenwoche im Dienste von SOTE hinter sich und durfte sich ein paar Freiheiten herausnehmen.
Neben ihr befand sich der heute ganz uncharakteristisch nervöse Captain Paul Fortier vom Geheimdienst der Navy. Der sonst so wortgewandte, gutaussehende, dunkle Offizier hüllte sich in sonderbares Schweigen. Und wenn er zu sprechen begann, mußte er sich erst räuspern und setzte einige Male falsch an. Was er von sich gab, war weitschweifig und manchmal sinnlos. Dabei wich er Helenas Blick aus, und als sie den Arm um seine muskelbepackten Schultern legte, spürte sie, daß er angespannt war wie vor einem Kampf.
Das sah dem Mann, den sie mit der Zeit kennen- und liebengelernt hatte, so gar nicht ähnlich. Sie hatten in den letzten siebzehn Monaten zusammengearbeitet und die Verbindung zwischen SOTE und Geheimdienst der Navy gefestigt. Noch nie hatten die zwei Organisationen so glatt kooperiert, und das war nicht zum geringsten Teil das Verdienst dieser beiden. Eigentlich waren Helena und Fortier dabei zu entdecken, daß sie nicht nur beruflich, sondern auch persönlich gut zusammenpaßten.
So war es gekommen, daß Helena nach einem langen, ermüdenden Tag voller Verwaltungsarbeiten vorgeschlagen hatte, sie sollten zusammen einen kleinen Ausflug machen - nur sie beide, ganz friedlich. Fortier hatte begeistert zugestimmt, aber kaum waren sie allein in dem Spezialfahrzeug, als er sein verbindliches, selbstsicheres Wesen ablegte und zu dem schüchternen unbeholfenen Kerl wurde, der jetzt neben ihr auf der Beschleunigungsliege ruhte.
Geschickt versuchte Helena das Gespräch zu steuern, doch nach mehreren vergeblichen Anläufen verzweifelte sie fast an ihrem Begleiter. Schließlich konnte sie nicht mehr an sich halten und fragte: »Paul, was ist denn los?«
Sie merkte, daß er sich noch mehr verkrampfte. »Nichts. Wie kommst du darauf?«
»So angespannt und fahrig habe ich dich noch nie erlebt. Sogar als wir uns auf Dr. Loxners Asteroiden in Gefahr begaben, warst du gelassener als jetzt.«
»Ich muß wohl müder gewesen sein, als ich dachte«, brummte Fortier. »Na ja, alles in allem war die Woche sehr anstrengend.«
»Für mich ebenso, denn ich habe ebensoviel gearbeitet«, wandte Helena ein. »Aber das hindert mich nicht, zwei vollständige zusammenhängende Sätze hintereinander zu äußern.«
»Verzeih.« Fortier wandte den Blick ab. »Heute bin ich einfach zu zerstreut.«
»Vielleicht ist dir heute meine Gesellschaft nicht genehm.« Helena beugte sich über die Steuereinrichtungen. »Wenn es dir lieber ist, können wir auf Heimatkurs gehen.«
Fortier reagierte blitzschnell. Er packte ihre linke Hand, hielt sie fest, so daß Helena ihre Absicht nicht ausführen konnte. »Nein, nein, ich bin sogar sehr gern mit dir zusammen. Nur ... ich bin eben sehr nervös, das ist alles. Schließlich habe ich es noch nie gemacht.«
»Noch nie was gemacht? Du bist Dutzende Male mit mir geflogen. Die vielen gemeinsamen Flüge zwischen Erde und Basis Luna ...«
»Ich habe noch nie zuvor einen Heiratsantrag gemacht.« Fortier brachte die Worte mit rauher Stimme mühsam heraus.
Helena hielt sekundenlang wie betäubt inne. Als sie schließlich wieder sprechen konnte, brachte sie nur heraus: »Paul?«
Ihre Stimme klang ganz verändert.
Nachdem er den frühen Abend in verlegenem Schweigen verbracht hatte, konnte Fortier nun plötzlich die Worte nicht mehr zurückhalten. »Ich war schon mehrmals knapp daran, schaffte es aber nie. Da war diese Natascha, als ich von der Akademie kam doch die verguckte sich in einen Verkehrspiloten aus Patagonien und war auf und davon, ehe ich ihr mit meinem Antrag kommen konnte. Und dann Kalindi, nachdem ich zum Kapitänleutnant befördert wurde ... aber gleichzeitig kam der Geheimdienstauftrag, und da wäre es unfair gewesen, ihr eine mehrjährige Trennung zuzumuten. Ebensogut hätte ich damals auf der Jagd nach den Piraten ums Leben kommen können. Sie hätte sämtliche Nachteile einer Offiziersfrau mitbekommen und keinen der Vorteile. Ich verließ sie ohne Abschied und ohne ihr zu sagen, warum ich ging. Ich muß sie tief verletzt haben, aber was hätte ich ...«
»Paul.« Helena drehte sich zu ihm um und hielt ihm den Mund zu. »Willst du damit sagen, daß du mir jetzt einen Heiratsantrag machen möchtest?«
Fortier
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