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Wem die Stunde schlaegt

Wem die Stunde schlaegt

Titel: Wem die Stunde schlaegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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höher als die andere, und der Schwung reißt dich mit, reißt dich zurück zu der Stelle, wo du begonnen hast. Man kann auch keine Preise gewinnen, dachte er, und niemand würde aus freien Stücken das Rad besteigen. Jedesmal fährst du mit und hast gar nicht die Absicht gehabt hinaufzusteigen. Es dreht sich nur einmal, in einer großen Ellipse, bergan und bergab, und dann bist du wieder dort, wo du angefangen hast. Jetzt sind wir wieder dort, dachte er, und nichts ist entschieden.
 Es war warm in der Höhle, und draußen hatte der Wind sich gelegt. Jetzt saß er am Tisch, hatte das Notizbuch vor sich und berechnete die technischen Details der Sprengung. Er zeichnete drei Skizzen, berechnete die Formeln und erläuterte mit Hilfe zweier Zeichnungen die Sprengmethode so deutlich wie ein Kinderspiel, damit, falls ihm während der Sprengung etwas passierte, Anselmo die Sache zu Ende führen konnte. Er vollendete die Skizzen und betrachtete sie genau. Maria saß neben ihm und schaute ihm über die Schulter zu. Er fühlte die Nähe Pablos, der ihm gegenübersaß, und die Nähe der anderen, die schwatzten und Karten spielten, und die Gerüche der Höhle stiegen ihm in die Nase, es waren jetzt nicht mehr die Essens-und Kochgerüche, sondern der Geruch des Feuerrauchs und der Menschenleiber, dieser penetrante, schale, nach Tabak und Rotwein schmeckende Körpergeruch, und als Maria, die ihm zusah, wie er gerade eine Zeichnung beendete, ihre Hand auf den Tisch legte, hob er sie mit seiner linken Hand an sein Gesicht und roch die ordinäre Seife und die Frische des Wassers vom Geschirrwaschen. Er legte ihre Hand wieder auf den Tisch, ohne sie anzusehen, und arbeitete weiter, und er sah nicht, wie sie rot wurde. Sie ließ ihre Hand dicht neben der seinen liegen, aber er rührte sie nicht wieder an.
 Jetzt war er mit den Sprengplänen fertig, und er nahm eine neue Seite des Notizbuchs und begann die Gefechtsbefehle auszuschreiben. Seine Gedanken waren klar und sicher, und was er schrieb, gefiel ihm. Er schrieb zwei Seiten in dem Notizbuch voll, las dann das Geschriebene sorgfältig durch.
 Ich glaube, das ist alles, sagte er zu sich selbst. Es ist alles ganz klar, und ich glaube nicht, daß sich irgendwo eine Lücke findet. Die beiden Posten werden beseitigt, und die Brücke wird gesprengt, so wie Golz es befohlen hat, und nur dafür bin ich verantwortlich. Die ganze Pablo-Affäre hätte man mir niemals aufhalsen dürfen, und sie wird schon auf die eine oder andere Weise ihre Lösung finden. Es wird ein Pablo sein, oder es wird kein Pablo sein. Beides ist mir völlig gleichgültig. Aber nie wieder steige ich auf dieses Rad. Zweimal bin ich mitgefahren, zweimal hat es sich gedreht und ist wieder zu der Stelle zurückgekehrt, wo es angefangen hat, und jetzt fahre ich nicht mehr mit. Er klappte das Notizbuch zu und sah zu Maria auf. »¡ Hola, guapa!« sagte er zu ihr. »Hast du irgend etwas davon begriffen?«
 »Nein, Roberto«, sagte das Mädchen. Sie berührte seine Hand, die noch den Bleistift hielt. »Bist du fertig?«
 »Ja. Jetzt ist alles schriftlich niedergelegt.«
 »Was hast du da gemacht, Inglés ?« fragte Pablo über den Tisch weg. Seine Augen waren jetzt wieder ganz trübe geworden.
 Robert Jordan musterte ihn prüfend. Weg von dem Rad! sagte er zu sich selbst. Steig ja nicht auf das Rad hinauf! Ich glaube, jetzt fängt es wieder an sich zu drehen.
 »Ich habe mich mit dem Problem der Brücke beschäftigt«, sagte er höflich.
 »Wie steht's?« fragte Pablo.
 »Sehr gut«, erwiderte Robert Jordan. »Sehr gut.«
 »Ich habe mich mit dem Problem des Rückzugs beschäftigt«, sagte Pablo, und Robert Jordan betrachtete seine versoffenen Schweinsäuglein und den Weinnapf. Der Weinnapf war fast leer.
 Steig ja nicht auf das Rad hinauf! sagte er zu sich selbst. Er säuft wieder. Gewiß. Aber steig ja nicht auf das Rad! Heißt es nicht, daß Grant während des Bürgerkrieges die meiste Zeit betrunken war? Warum auch nicht? Grant würde schön wütend sein über den Vergleich, wenn er Pablo sehen könnte. Grant war Zigarrenraucher. Ja, er wird sich umsehen müssen, um Pablo eine Zigarre zu verschaffen. Das fehlte nämlich diesem Gesicht, damit es ganz vollendet wäre, eine zerkaute Zigarre. Wo könnte er bloß eine für Pablo herkriegen?
 »Wie steht's?« fragte Robert Jordan höflich.
 »Sehr gut«, sagte Pablo und nickte gewichtig und weise. »Muy bien.«
 »Hast du dir was ausgedacht?« frage Agustín, der

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