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Wem die Stunde schlaegt

Wem die Stunde schlaegt

Titel: Wem die Stunde schlaegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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marschiert, wie es für einen kräftigen Bauern, der die Gegend so gut kennt, in der Dunkelheit nur immer möglich ist. Aber sowie er auf republikanisches Gebiet kam, wurde das Tempo langsamer.
 In der Theorie hätte er nur den Passierschein, den Robert Jordan mit dem Siegel S. I. M. versehen hatte, und die Depesche, die das gleiche Siegel trug, vorzeigen müssen, um sofort mit größter Beschleunigung an seinen Bestimmungsort befördert zu werden. Aber gleich zu Anfang begegnete er an der Front dem Kompanieführer, der die ganze Geschichte mit eulenhaft finsterem Argwohn betrachtete.
 Er war diesem Kompanieführer in das Hauptquartier des Bataillons gefolgt, und als der Bataillonskommandant, ein früherer Friseur, von seinem Auftrag hörte, war er ganz enthusiasmiert. Dieser Mann namens Gómez beschimpfte den Kompanieführer wegen seiner Dummheit, klopfte Andrés auf den Rücken, gab ihm ein Glas schlechten Cognacs zu trinken und erzählte ihm, er, der ehemalige Friseur, wäre seit jeher gern ein guerrillero geworden. Dann rüttelte er seinen Adjutanten wach, übergab ihm das Kommando und beauftragte seine Ordonnanz, den Motorradfahrer zu wecken und zu holen. Statt Andrés mit dem Motorradfahrer nach hinten in das Hauptquartier der Brigade zu schicken, hatte Gómez beschlossen, ihn selber hinzubringen, um die Sache zu beschleunigen, und so ratterten sie nun durch die Nacht. Andrés klammerte sich an dem Vordersitz fest, das Rad holperte die mit Granattrichtern übersäte Bergstraße hinab, zwischen zwei Reihen hoher Bäume, im Scheinwerferlicht des Motorrads leuchtete die weiße Tünche an den Stämmen, und man sah die Stellen, wo die Granatsplitter und Kugeln in den Kämpfen, die im ersten Sommer der Bewegung an dieser Straße stattfanden, die Tünche und die Rinde zerhackt und zerrissen hatten. Sie bogen in das kleine Ruinenstädtchen ein, das früher einmal ein Höhenkurort gewesen war und in dem sich jetzt das Hauptquartier der Brigade befand. Gómez bremste das Motorrad wie ein Dirt-Track-Rennfahrer und lehnte es gegen die Wand des Hauses, vor dem ein schläfriger Wachtposten Habtacht machte, als Gómez an ihm vorbei in den großen Raum eilte, wo die Wände mit Landkarten bedeckt waren und ein sehr schläfriger Offizier mit einem grünen Augenschirm an einem Schreibtisch mit einer Leselampe, zwei Telefonen und einer Nummer des Mundo Obrero saß. Dieser Offizier blickte zu Gómez auf und fragte: »Was willst du hier? Weißt du nicht, daß es ein Telefon gibt?«
 »Ich muß mit dem Oberstleutnant sprechen«, sagte Gómez.
 »Er schläft«, sagte der Offizier. »Auf eine Meile Entfernung habe ich die Lichter deines Rades die Straße herunterkommen sehen. Willst du uns ein Bombardement einbrocken?«
 »Ruf den Oberstleutnant!« sagte Gómez. »Die Sache ist äußerst wichtig.«
 »Ich sage dir doch, er schläft«, sagte der Offizier. »Was hast du denn da für einen Banditen bei dir?« Er deutete mit einem Nicken auf Andrés.
 »Er ist ein guerrillero von jenseits der Front mit einer äußerst wichtigen Depesche für den General Golz, der den Angriff befehligt, der beim Morgengrauen hinter Navacerrada stattfinden soll«, sagte Gómez erregt und ernst. »Um Himmels willen, weck doch den Teniente-Coronel auf!« Der Offizier sah ihn aus seinen schlaffen Augen an, die das grüne Zelluloid beschattete. »Ihr seid alle verrückt«, sagte er. »Ich kenne keinen General Golz und weiß von keinem Angriff. Nimm deinen Sportsmann und schert euch zu eurem Bataillon zurück.«
 »Weck den Teniente-Coronel auf, sage ich!« sagte Gómez, und Andrés sah, wie seine Lippen sich strafften.
 »Geht zum Teufel!« erwiderte der Offizier träge und wandte sich ab.
 Gómez zog eine schwere Neun-Millimeter-Pistole aus dem Futteral und setzte sie dem Offizier an die Schulter.
 »Weck ihn auf, du Faschistenhund!« sagte er. »Weck ihn auf, oder ich schieße dich über den Haufen!«
 »Beruhige dich«, sagte der Offizier. »Ihr Friseure seid alle so hitzig.«
 Andrés sah im Schein der Leselampe, wie Gómez' Züge sich vor Haß verzerrten. Aber er sagte nur: »Weck ihn auf.«
 »Ordonnanz!« rief der Offizier in verächtlichem Ton.
 Ein Soldat kam in die Tür, salutierte und verschwand.
 »Seine Verlobte ist bei ihm«, sagte der Offizier und vertiefte sich in seine Zeitung. »Er wird bestimmt sehr erfreut sein, dich zu sehen.«
 »Solche Leute wie du vereiteln alle Bemühungen, diesen Krieg zu gewinnen«, sagte Gómez zu dem

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