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Wem die Stunde schlaegt

Wem die Stunde schlaegt

Titel: Wem die Stunde schlaegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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Stabsoffizier.
 Der Offizier beachtete ihn nicht. Er las weiter und sagte dann wie zu sich selbst: »Das ist ein kurioses Blättchen!«
 »Warum liest du dann nicht El Debate? Das ist die richtige Zeitung für dich.« El Debate war das führende Organ der katholischen Konservativen, das vor der Bewegung in Madrid erschien.
 »Vergiß nicht, daß ich dein Vorgesetzter bin und daß ein Bericht von mir über dich nicht ohne Wirkung bleiben wird«, sagte der Offizier, ohne aufzublicken. »Ich habe nie El Debate gelesen. Nur keine falschen Beschuldigungen!« »Nein. Du liest A. B. C. «, sagte Gómez. »Noch immer ist die Armee von deinesgleichen verpestet. Ihr Berufsmilitärs! Aber das wird nicht ewig so bleiben. Wir sind eingeklemmt zwischen den Dummköpfen und den Zynikern, aber die Dummköpfe werden wir erziehen und die Zyniker ausrotten.«
 »›Reinigen‹ ist das Wort, das du suchst«, sagte der Offizier und blickte noch immer nicht auf. »Hier steht, daß sie wieder ein paar von deinen famosen Russen wegpurgiert haben. Bei denen geht das Purgieren noch schneller als mit Karlsbader Pastillen.«
 »Schon recht so!« sagte Gómez heftig. »Wenn nur deinesgleichen liquidiert wird!«
 »Liquidiert!« sagte der Offizier höhnisch, als ob er mit sich selber redete. »Wieder so ein neues Wort, das sehr wenig Kastilianisches an sich hat!«
 »Also erschossen!« sagte Gómez. »Das ist kastilianisch. Verstehst du das?«
 »Ja, Mann, aber sprich nicht so laut! Es schlafen noch mehr Leute außer dem Teniente-Coronel in diesem Brigadestab, und deine Aufregung langweilt mich. Deshalb habe ich mich auch immer selber rasiert. Mir hat die Konversation nicht gepaßt.«
 Gómez sah Andrés an und schüttelte den Kopf. Seine Augen schimmerten feucht vor Wut und Haß. Aber er schüttelte den Kopf und schwieg, während er das alles sorgsam für die Zukunft aufbewahrte. In den anderthalb Jahren, in denen er es bis zum Kommandeur eines Bataillons in der Sierra brachte, hatte er schon genug Haß aufgespeichert, und als nun der Oberstleutnant im Pyjama ins Zimmer kam, stand er stramm und salutierte.
 Oberstleutnant Miranda, ein kleiner Mann mit grauem Gesicht, der sein Leben lang in der Armee gedient, die Liebe seiner Frau in Madrid und seine gute Verdauung in Marokko eingebüßt hatte und Republikaner geworden war, als er merkte, daß er sich von seiner Frau nicht scheiden lassen konnte (die gute Verdauung war ja nun unwiederbringlich dahin), hatte den Bürgerkrieg als Oberstleutnant begonnen. Sein einziger Ehrgeiz war, ihn im gleichen Range auch zu beenden. Er hatte die Sierra recht brav verteidigt und wollte sie gerne auch weiterhin ganz allein gegen jeden Angriff verteidigen. Er fühlte sich seit Kriegsbeginn viel gesünder, wahrscheinlich deshalb, weil er gezwungenermaßen weniger Fleisch aß, er hatte einen riesigen Vorrat an doppeltkohlensaurem Natron und abends seinen Whisky, seine dreiundzwanzigjährige Geliebte bekam ein Kind, wie so ziemlich alle die Mädchen, die im vergangenen Jahr als milicianas ins Feld gezogen waren, und jetzt kam er herein, erwiderte Gómez' Gruß mit einem Nicken und streckte die Hand aus. »Was führt dich hierher, Gómez?« fragte er, und dann sagte er zu dem Offizier am Schreibtisch, der sein Operationschef war: »Gib mir bitte eine Zigarette, Pepe.«
 Gómez zeigte ihm Andrés' Papiere und die Depesche. Der Oberstleutnant prüfte rasch den salvoconducto, sah Andrés an, nickte lächelnd und betrachtete dann lüstern die Depesche. Er betastete das Siegel, prüfte es mit dem Zeigefinger, gab Andrés sowohl den Passierschein wie die Depesche zurück.
 »Ist das Leben in den Bergen schwer?« fragte er.
 »Nein, mi Teniente-Coronel «, sagte Andrés.
 »Hat man dir gesagt, wo ungefähr General Golz' Hauptquartier zu finden sein wird?«
 »Bei Navacerrada, mi Teniente-Coronel«, sagte Andrés. »Der Inglés hat gesagt, es dürfte irgendwo in der Nähe von Navacerrada sein, hinter den Stellungen, etwas nach rechts hin.«
 »Was für ein Inglés ?« fragte der Oberstleutnant ruhig.
 »Der Inglés, der als Dynamiter bei uns ist.«
 Der Oberstleutnant nickte. Das war eben wieder so eine plötzliche und unerklärliche Besonderheit dieses Krieges. ›Der Inglés, der als Dynamiter bei uns ist.‹
 »Es wird am besten sein, du bringst ihn selbst mit dem Motorrad hin, Gómez«, sagte der Oberstleutnant. Dann zu dem Offizier mit dem grünen Augenschirm: »Schreib ihnen einen wirksamen

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