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Wem die Stunde schlaegt

Wem die Stunde schlaegt

Titel: Wem die Stunde schlaegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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Schnellfeuergewehr Pablos. Er stand auf, bückte sich, hob vorsichtig den Drahtknäuel auf und begann den Draht abzuwickeln, während er halb rücklings, halb seitlings über die Brücke ging.
 Er hörte das Geknatter und fühlte es in der Magengrube, als ob es in seinem Zwerchfell widerhallte. Jetzt, während er weiterging, kam es näher, und er blickte zu der Straßenbiegung hinüber. Aber es war noch immer kein Auto, kein Tank, keine Infanterie zu sehen. Als er den halben Weg zurückgelegt hatte, war noch immer nichts zu sehen. Als er drei Viertel des Weges zurückgelegt hatte, war noch immer nichts zu sehen. Der Draht lief glatt und sauber am Gitterwerk entlang, und als er schließlich um das Wachthäuschen herumkletterte, den Draht von sich abhaltend, damit er sich nicht in dem Gestänge verhakte, war unten noch immer nichts zu sehen. Dann stand er auf der Straße, und unten war noch immer nichts zu sehen, und dann ging er rücklings mit schnellen Schritten die kleine, ausgewaschene Ablaufrinne an der unteren Straßenseite entlang, wie ein Baseballspieler rücklings schreitet, um einen langen, scharfen Ball zu erwischen, den gespannten Draht in der Hand, und jetzt befand er sich fast genau gegenüber von Anselmos Stein, und jenseits der Brücke war noch immer nichts zu sehen.
 Dann hörte er das Lastauto die Straße herunterkommen, er sah mit einem Blick über die Schulter, wie es soeben das lange Gefälle erreichte, und er schwenkte das Handgelenk einmal um den Draht herum und schrie Anselmo zu: »Los!«, und er bohrte die Hacken in die Erde und lehnte sich zurück, den straff gespannten Draht um das Handgelenk gewunden, und hinter ihm näherte sich das Geräusch des fahrenden Autos, und vor ihm lag die Straße mit dem toten Posten und die lange Brücke und das Stück Straße weiter unten, wo noch immer nichts zu sehen war, dann setzte ein prasselndes Getöse ein, der Mittelteil der Brücke bäumte sich empor wie eine Welle, die sich an einem Felsen bricht, und er fühlte den Luftstoß der Explosion über seinen Rücken hinwegrollen, während er sich mit dem Gesicht nach unten in die kiesige Rinne warf, beide Hände fest gegen den Kopf gepreßt. Er drückte das Gesicht in die Kiesel, während die Brücke sich wieder herabsenkte, der vertraute schweflige Geruch wälzte sich mit einer beißenden Rauchwolke über ihn weg, und dann begann es Stahlsplitter zu regnen.
 Als der Splitterregen aufhörte, war er immer noch am Leben, und er hob den Kopf und schaute zu der Brücke hinüber. Der Mittelteil war verschwunden. Zackige Stahlsplitter mit hellen, frisch aufgerissenen Rändern und Spitzen lagen über die Brücke und Straße verstreut. Das Auto hatte etwa fünfzig Meter weiter oben haltgemacht. Der Fahrer und seine beiden Begleiter liefen zu einem Abflußgraben hin.
 Fernando lag gegen die Böschung gelehnt und atmete noch, die Arme an den Seiten ausgestreckt, die Hände entspannt.
 Anselmo lag mit dem Gesicht zur Erde hinter dem weißen Chausseestein. Sein linker Arm war unter dem Kopf verkrümmt, der rechte weit ausgestreckt. Die Drahtschlinge hing noch an seiner rechten Faust. Robert Jordan erhob sich, ging auf die andere Seite der Straße hinüber, kniete neben Anselmo nieder und überzeugte sich davon, daß er tot war. Er drehte ihn gar nicht erst auf die Seite, um nachzusehen, was der Stahlsplitter angerichtet habe. Anselmo war tot, das war alles. Er sieht recht klein aus im Tode, dachte Robert Jordan. Klein sah er aus und grauköpfig, und Robert Jordan dachte: Wie hat er bloß so schwere Lasten schleppen können, wenn er wirklich so klein war! Dann sah er die Konturen der Waden und Schenkel in der engen grauen Hirtenhose und die abgetragenen Sohlen der Bastschuhe, und er hob Anselmos Karabiner auf und die beiden Rucksäcke, die jetzt so gut wie leer waren, ging zu Fernando hinüber und hob das Gewehr auf, das neben ihm lag. Auf der Straße lag ein zackiger Stahlsplitter, er stieß ihn mit dem Fuß in den Graben. Dann packte er die beiden Gewehre am Lauf, schwang sie über die Schulter und stieg den Abhang hinauf in den Wald. Er blickte nicht zurück, er blickte auch nicht über die Brücke zu der Straße hinüber. Hinter der Biegung wurde immer noch geschossen, aber das interessierte ihn jetzt nicht mehr.
 Der beißende TNT-Dunst reizte ihn zum Husten, und er war am ganzen Körper gelähmt.
 Er legte eines der Gewehre neben Pilar, die hinter einem Baumstamm lag. Sie schaute hin und sah, daß sie jetzt

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