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Wem die Stunde schlaegt

Wem die Stunde schlaegt

Titel: Wem die Stunde schlaegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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und hielt ihn fest umschlungen.
 Sein Ton war immer noch ruhig und vernünftig, aber er sprach mit großem Nachdruck:
 »Steh auf! Du und ich, wir sind jetzt eins. Du bist alles, was von mir übrig ist. Steh auf!«
 Sie erhob sich langsam, weinend, hielt den Kopf gesenkt. Dann warf sie sich schnell wieder neben ihm nieder, und dann erhob sie sich abermals, langsam und müde, da er sagte: »Steh auf, guapa !«
 Sie stand da, und Pilar hielt sie am Arm fest.
  »¡Vámonos!« sagte Pilar. »Brauchst du noch etwas, Inglés ?« Sie sah ihn an und schüttelte den Kopf.
 »Nein«, sagte er und sprach weiter zu Maria:
 »Ich sage dir nicht Lebewohl, guapa, weil wir uns nicht trennen. Laß es dir gutgehen in den Gredos. Geh jetzt! Sei brav und geh! Nein!« Er sprach in ganz ruhigem und vernünftigem Ton, während Pilar das Mädchen wegführte. »Schau dich nicht um, setz den Fuß in den Steigbügel! Ja. Den Fuß. Hilf ihr hinauf!« sagte er zu Pilar. »Helft ihr in den Sattel! Schwinge dich jetzt hinauf!«
 Schweißtriefend drehte er sich zur Seite, blickte den Hang hinunter, blickte dann zu dem Mädchen zurück, das im Sattel saß, Pilar neben ihr, und Pablo dicht dahinter. »Geh jetzt!« sagte er. »Geh!«
 Sie wollte sich nach ihm umsehen. »Sieh dich nicht um!« sagte Robert Jordan. »Geh!« Und Pablo versetzte dem Pferd mit einem Fesselriemen einen Hieb über die Kruppe, und es sah so aus, als wollte Maria aus dem Sattel gleiten, aber Pilar und Pablo ritten dicht an sie heran, Pilar hielt sie fest, und die drei Gäule trabten die Schlucht hinan.
 »Roberto!« rief Maria und drehte sich um. »Laß mich bei dir bleiben! Laß mich bei dir bleiben!«
 »Ich bin bei dir!« rief Robert Jordan. »Ich bin jetzt bei dir. Wir sind beisammen. Geh!« Dann verschwanden sie um die Biegung der Schlucht, er war völlig in Schweiß gebadet und blickte ins Leere. Agustín stand neben ihm.
 »Soll ich dich erschießen, Inglés ?« fragte er und beugte sich zu ihm nieder. »¿ Quieres? Es macht mir nichts aus.«
  »No hace falta«, sagte Robert Jordan. »Laß mich nur! Ich bin hier sehr gut aufgehoben.«
  »¡Me cago en la leche, que me han dado!« sagte Agustín. Er weinte und konnte Robert Jordan nicht deutlich sehen. »¡ Salud, Inglés!«
 » Salud, mein Alter!« sagte Robert Jordan. Er blickte jetzt den Hang hinunter. »Kümmere dich um die kleine Geschorene, ja?«
 »Das ist kein Problem«, sagte Agustín. »Hast du alles, was du brauchst?«
 »Ich werde diese máquina behalten, denn es sind ohnedies nur noch ein paar Patronen da«, sagte Robert Jordan. »Ersatz läßt sich nicht beschaffen. Für die andere máquina und auch für die von Pablo könnt ihr Patronen bekommen.«
 »Ich habe den Lauf gesäubert«, sagte Agustín. »Er hat sich, als das Pferd stürzte, in die Erde gebohrt.«
 »Was ist aus dem Packpferd geworden?«
 »Der Zigeuner hat es eingefangen.«
 Agustín saß jetzt zu Pferde, aber er wollte nicht weg. Er beugte sich weit zu dem Baum hinüber, unter dem Robert Jordan lag.
 »Los, viejo !« sagte Robert Jordan zu ihm. »Es ist Krieg und da passieren eben solche Dinge.«
  »¡Qué puta es la guerra!« sagte Agustín. »Was für ein Hurenzeug ist der Krieg!« »Ja, Mann, ja. Aber schau jetzt, daß du weiterkommst.«
  »¡Salud, Inglés!« sagte Agustín, die rechte Faust ballend.
  »¡Salud!« sagte Robert Jordan. »Aber nun los, Mann!«
 Agustín riß sein Pferd herum, schlug mit der rechten Faust ins Leere, und diese Gebärde war wie ein Fluch, und dann ritt er die Schlucht hinauf. Die anderen waren schon längst verschwunden. An der Stelle, wo die Schlucht zwischen den Bäumen in den Wald einbog, schaute er sich noch einmal um und winkte mit der geballten Faust. Robert Jordan winkte zurück, und dann war Agustín verschwunden...
 Robert Jordan blickte über den grünen Hügelhang zur Straße und der Brücke hinunter. Ich will lieber sitzen bleiben, dachte er. Mich jetzt schon auf den Bauch zu wälzen wäre ein unnützes Risiko, der Knochen sitzt zu dicht unter der Haut, und so kann ich auch besser sehen.
 Er fühlte sich leer, ausgepumpt und erschöpft von allem, was geschehen war, und von der Trennung, und er hatte einen gallbitteren Geschmack auf der Zunge. Nun war es endlich, endlich kein Problem mehr. Wie immer es gewesen war, wie immer es noch für ihn werden mochte, es war kein Problem mehr.
 Jetzt waren sie alle weg, er saß allein da, mit dem Rücken an den Baumstamm

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