Wem die Stunde schlaegt
war nun trocken geworden, denn die Männer, die da herumstanden und herumgingen und herumscharrten, hatten ihn aufgewühlt, und es fing zu stauben an, und ein Mann in einem dunkelblauen Sonntagsrock rief: ›¡ Agua! ¡Agua!‹, und der Aufseher der Plaza, dessen Pflicht es war, jeden Morgen die Plaza aus einem Schlauch zu besprengen, kam und drehte den Schlauch an und fing an, den Staub niederzuschlagen, zuerst am Rande der Plaza und dann mehr gegen die Mitte hin. Dann wichen die beiden Reihen zurück, damit er die ganze Plaza besprengen konnte, der Schlauch schwang hin und her in weitem Bogen, das Wasser glitzerte in der Sonne, und die Männer stützten sich auf ihre Dreschflegel, auf die Knüppel oder weißen Holzgabeln und beobachteten den Schwung des strömenden Wassers. Und dann, als die Plaza hübsch bewässert war und der Staub sich gelegt hatte, schlossen sich wieder die Reihen, und ein Bauer rief: ›Wann kriegen wir den ersten Faschisten? Wann kommt der erste aus dem Stall?‹ ›Bald‹, rief Pablo aus der Tür des Ayuntamiento . ›Bald kommt der erste heraus.‹ Seine Stimme war heiser von dem vielen Schreien beim Angriff und von dem Rauch der Kaserne.
›Warum dauert es so lange?‹ fragte einer.
›Sie sind noch mit ihren Sünden beschäftigt‹, rief Pablo.
›Natürlich! Es sind ja zwanzig Stück‹, sagte einer.
›Noch mehr‹, sagte ein anderer.
›Bei zwanzig Mann, da gibt's viele Sünden zu beichten.‹
›Ja, aber ich glaube, es ist nur ein Kniff, um Zeit zu gewinnen. In so einer Lage erinnert man sich bestimmt nur an seine größten Sünden.‹
›Da mußt du Geduld haben. Wenn es mehr als zwanzig sind, gibt es auch genug große Sünden, die ihre Zeit brauchen.‹
›Ich habe Geduld‹, sagte der andere. ›Aber es ist besser, man hat die Sache hinter sich. Besser für sie und besser für uns. Es ist Juli, und wir haben viel zu tun. Wir haben geerntet, aber noch nicht gedroschen. Wir sind noch nicht in der Zeit der Jahrmärkte und Festlichkeiten.‹
›Aber das wird heute ein Jahrmarkt und eine Festlichkeit‹, sagte ein anderer. ›Der Jahrmarkt der Freiheit, und von heute an, wenn diese da weggeputzt sind, gehört uns die Stadt und der Boden.‹
›Wir dreschen heute Faschisten‹, sagte einer, ›und aus der Spreu kommt die Freiheit dieses pueblo.‹
›Wir müssen sie gut anwenden, um sie zu verdienen‹, sagte ein anderer. ›Pilar‹, sagte er zu mir, ›wann machen wir eine Versammlung, um alles zu organisieren?‹
›Gleich, nachdem das da vorbei ist‹, sagte ich. ›Im selben Haus, im Ayuntamiento.‹
Ich trug zum Spaß einen der glanzledernen Dreispitze der guardia civil , und ich hatte den Hammer an der Pistole heruntergelassen, ich hielt ihn mit dem Daumen fest, während ich auf den Abzug drückte, denn so hielt ich's für richtig, und die Pistole hing an einer Schnur, die hatte ich um das Handgelenk geschlungen, und der lange Lauf steckte unter der Schnur. Und als ich den Dreispitz aufsetzte, kam es mir sehr spaßig vor, aber hinterher dachte ich mir, ich hätte lieber das Pistolenfutteral nehmen sollen. Einer der Leute in der Reihe sagte zu mir: ›Pilar, Tochter. Ich finde es geschmacklos von dir, diesen Hut zu tragen. Jetzt, wo wir mit solchem Zeug wie der guardia civil Schluß gemacht haben.‹
›Dann‹, sagte ich, ›will ich ihn abnehmen.‹ Und ich nahm ihn ab.
›Gib ihn mir‹, sagte er. ›Wir wollen ihn vernichten.‹
Und da wir am anderen Ende der Reihe standen, wo der Weg am Rande der Klippen entlangführt, hoch über dem Fluß, nahm er den Hut in die Hand und schleuderte ihn über die Klippe mit der Gebärde eines Hirten, der, mit der Hand nach unten, einen Stein nach den Bullen wirft, um sie zusammenzutreiben. Der Hut segelte ins Leere hinaus, wir sahen ihn immer kleiner werden, das Glanzleder schimmerte in der klaren Luft, und er schwebte zu dem Fluß hinunter. Ich schaute zurück über den Platz, und an allen Fenstern und auf allen Balkonen drängten sich die Menschen, und quer über den Platz bis zur Tür des Ayuntamiento stand die Doppelreihe der Männer, und vor den Fenstern dieses Gebäudes wimmelte es von Menschen, man hörte viele Stimmen durcheinanderreden, und dann hörte ich einen lauten Ruf, und einer sagte: ›Hier kommt der erste‹, und es war Don Benito Garcia, der Bürgermeister, er kam barhäuptig aus der Tür, ging langsam die Stufen hinunter, und nichts geschah; und er ging zwischen den Reihen der Männer mit
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