Wem die Stunde schlaegt
grauhaarig, ein Mann von mittlerer Größe, am Hemd einen Kragenknopf, aber keinen Kragen, wie er so dastand und sich einmal bekreuzigte und vor sich hin blickte, aber ohne seine Brille nur wenig sehen konnte, und wie er dann ruhig und mit gemessenen Schritten vorwärtsging, konnte man bei seinem Anblick Mitleid bekommen. Aber einer der Bauern rief: ›Hier, Don Guillermo! Hierher, Don Guillermo! Hierher zu uns! Das sind alles deine Waren, die wir da haben.‹
Es war ihnen so gut geglückt, Don Faustino zu verspotten, daß sie jetzt gar nicht begreifen konnten, daß sie in Don Guillermo einen anderen Menschen vor sich hatten, und wenn es schon nicht anders ging, als ihn umzubringen, dann hätten sie ihn schnell und mit etwas Würde umbringen müssen.
›Don Guillermo!‹ rief ein anderer. ›Sollen wir jemanden in dein Haus schicken und deine Brille holen?‹
Don Guillermos Haus war gar kein richtiges Haus, denn er hatte nicht viel Geld, und er war auch nur deshalb Faschist, weil er vornehm tun und sich darüber trösten wollte, daß er für wenig Geld arbeiten mußte in seinem kleinen Laden, in dem er allerlei Holzwaren verkaufte. Und auch wegen der Frömmigkeit seiner Frau, die sehr fromm war, und er duldete ihre Frömmigkeit, weil er glaubte, daß er das seiner Liebe zur ihr schuldig sei. Er wohnte in einer Wohnung in dem Gebäude, das das vierte von oben war, und als Don Guillermo dastand und mit seinen kurzsichtigen Augen zu den beiden Reihen hinblinzelte, von denen er wußte, daß sie auf ihn warteten, fing auf dem Balkon der Wohnung, in der er wohnte, eine Frau zu schreien an. Sie konnte ihn vom Balkon aus sehen, und es war seine Frau. ›Guillermo‹, schrie sie. ›Guillermo! Warte, ich komme zu dir.‹
Don Guillermo drehte den Kopf in die Richtung, aus der die Rufe kamen. Er konnte seine Frau nicht sehen. Er versuchte etwas zu sagen, aber es ging nicht. Dann winkte er mit der Hand zu dem Balkon hin und betrat die Gasse der Männer.
›Guillermo!‹ rief die Frau. ›Guillermo! O Guillermo!‹ Sie umklammerte das Geländer des Balkons, und ihr ganzer Körper schwankte, wie vom Winde geschüttelt. ›Guillermo!‹
Don Guillermo winkte noch einmal zu dem Balkon hin und schritt dann durch die Reihen, den Kopf emporgereckt, und wenn nicht die Farbe seines Gesichts gewesen wäre, hätte man nicht gewußt, was in ihm vorging.
Dann schrie irgendein Betrunkener aus den Reihen: ›Guillermo!‹ und ahmte dabei die hohe, schrille Stimme der Frau nach, und Don Guillermo stürzte sich blindlings auf diesen Mann, während ihm jetzt die Tränen über die Wangen liefen, und der Mann schlug ihm mit dem Dreschflegel ins Gesicht, und Don Guillermo setzte sich hin unter der Wucht des Schlages und saß weinend auf der Erde, aber er weinte nicht aus Angst, während die Betrunkenen ihn prügelten, und einer der Betrunkenen sprang auf ihn hinauf, setzte sich rittlings auf seine Schultern und schlug mit einer Flasche auf ihn los. Daraufhin verließen viele der Männer die Reihen, und ihre Plätze wurden von den Säufern eingenommen, die vor den Fenstern des Ayuntamiento Witze gerissen und geschmacklose Dinge hineingeschrien hatten.
Mich selbst hat es sehr mitgenommen, als Pablo die guardias civiles erschoß«, sagte Pilar. »Es war sehr häßlich gewesen, aber ich dachte mir, wenn es so sein muß, dann muß es so sein, und schließlich ging es nicht grausam zu, sondern sie wurden einfach ums Leben gebracht, und wir haben in all diesen Jahren gelernt, daß das zwar häßlich ist, aber notwendig, wenn wir siegen wollen und die Republik schützen.
Als sie den Platz absperrten und die Reihen sich aufstellten, da hatte ich Pablos Plan bewundert und verstanden, obschon er mir ein bißchen phantastisch vorkam; und daß es nötig sein würde, daß alles, was geschehen mußte, auf geschmackvolle Weise geschah, wenn es nicht widerwärtig sein sollte. Gewiß, wenn das Volk die Faschisten hinrichten sollte, dann war es besser, wenn das ganze Volk daran teilnahm, und auch ich wollte an der Schuld teilhaben, genauso wie ich hoffte, an den Vorteilen teilzuhaben, wenn erst einmal die Stadt uns gehörte. Aber nach der Geschichte mit Don Guillermo hatte ich ein Gefühl der Beschämung und des Ekels, und als nun die Säufer und Taugenichtse sich in die Reihen drängten und etliche andere aus Protest die Reihen verließen, da wollte ich gar nichts mehr mit der Sache zu tun haben, und ich ging weg, ging über den Platz und setzte mich
Weitere Kostenlose Bücher