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Wem die Stunde schlaegt

Wem die Stunde schlaegt

Titel: Wem die Stunde schlaegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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Pilar?‹
 ›Von Pablo. Pablo hat sie mir gegeben, nachdem er die civiles erschossen hatte.‹
 ›Hat er sie mit dieser Pistole erschossen?‹
 ›Mit keiner anderen‹, sagte ich. ›Und jetzt ist es meine Waffe.‹
 ›Darf ich sie mal sehen, Pilar? Darf ich sie in die Hand nehmen?‹
 › Warum nicht, Mann?‹ sagte ich, und ich zog sie unter der Schnur hervor und reichte sie ihm. Aber ich wunderte mich, warum noch keiner aus der Tür gekommen war, und gerade da, wer kommt heraus, wenn nicht Don Guillermo Martín, aus dessen Laden die Dreschflegel, die Hirtenknüppel und die hölzernen Gabeln stammten. Don Guillermo war ein Faschist, aber sonst war nichts gegen ihn zu sagen.
 Freilich bezahlte er die Leute schlecht, die ihm Dreschflegel machten, aber er verkaufte sie auch billig, und wenn man keine Dreschflegel bei Don Guillermo kaufen wollte, konnte man sie sich selber machen, und das kostete nur das Holz und das Leder. Er hatte ein grobes Mundwerk, und er war zweifellos ein Faschist und Mitglied des Faschistenklubs, und mittags und abends saß er auf den Rohrstühlen des Klubs, las El Debate, ließ sich die Schuhe putzen, trank Wermut mit Soda, aß geröstete Mandeln, getrocknete Krabben und Anchovis. Aber deshalb bringt man nicht einen Menschen um, und ich bin sicher, wenn nicht die Beleidigungen des Don Ricardo Montalvo gewesen wären und der jämmerliche Anblick Don Faustinos und dann das Trinken auf die ganze Aufregung hin, würde einer gerufen haben: ›Don Guillermo soll in Frieden gehen! Wir haben seine Dreschflegel. Laßt ihn gehen!‹
 Denn die Leute in dieser Stadt sind so gutmütig, wie sie grausam sein können, und sie haben ein natürliches Gefühl für Gerechtigkeit und den Wunsch, das Rechte zu tun. Aber jetzt war Grausamkeit über sie gekommen und auch Betrunkenheit oder der Anfang von Betrunkenheit, und die Menschen in den Reihen waren nicht mehr so wie zu Anfang, als Don Benito herausgekommen war. Ich weiß nicht, wie es in anderen Ländern ist, und niemandem macht das Trinken mehr Freude als mir, aber in Spanien ist das Betrunkensein, wenn es nicht nur vom Wein kommt, eine sehr häßliche Sache, und dann tun die Menschen Dinge, die sie sonst nicht getan hätten. Ist es in deinem Land anders?«
 »Genau so«, sagte Robert Jordan. »Als ich sieben Jahre alt war und mit meiner Mutter zu einer Hochzeit ging, im Staate Ohio, ich sollte der Junge sein in einem Paar, zusammen mit einem kleinen Mädchen, und Blumen tragen –«
 »Hast du Blumen getragen?« fragte Maria. »Wie nett!«
 »Und dort in der Stadt wurde ein Neger an einem Laternenmast aufgehängt und nachher verbrannt. Es war eine Bogenlampe, die man von dem Mast auf das Pflaster herunterlassen konnte, und er wurde zuerst mit der Vorrichtung hochgezogen, mit der man die Bogenlampe hochzieht, aber das Ding zerriß –«
 »Ein Neger«, sagte Maria. »Wie barbarisch!«
 »Waren die Leute betrunken?« fragte Pilar. »Waren sie betrunken, einen Neger so zu verbrennen?«
 »Ich weiß es nicht«, sagte Robert Jordan. »Ich war in dem Haus, das an der Ecke stand, neben der Bogenlampe, ich stand am Fenster und guckte durch die Jalousie hinaus. Die Straße war voller Menschen, und als sie den Neger zum zweitenmal hochzogen –«
 »Wenn du erst sieben Jahre alt und drinnen in einem Haus warst, konntest du nicht wissen, ob sie betrunken waren oder nicht«, sagte Pilar.
 »Wie gesagt, als sie den Neger zum zweitenmal hochzogen, zerrte meine Mutter mich vom Fenster weg, und da konnte ich nichts mehr sehen«, sagte Robert Jordan. »Aber seither habe ich vieles erlebt, und ich weiß, daß in meiner Heimat die Menschen genauso schlimm sind, wenn sie betrunken sind. Häßlich und brutal.«
 »Mit sieben Jahren warst du viel zu jung«, sagte Maria, »viel zu jung für solche Dinge. Ich habe noch nie einen Neger gesehen, außer im Zirkus. Wenn nicht die Mauren Neger sind.«
 »Manche sind Neger und manche nicht«, sagte Pilar. »Ich kann dir was von den Mauren erzählen.« »Nicht so gut wie ich«, sagte Maria. »Nein, nicht so gut wie ich.«
 »Sprich nicht von solchen Dingen!« sagte Pilar. »Das ist ungesund. Wo waren wir?«
 »Du hast von der Betrunkenheit erzählt«, sagte Robert Jordan. »Erzähl weiter!«
 »Es ist nicht richtig, hier von Betrunkenheit zu sprechen«, sagte Pilar. »Denn sie waren noch bei weitem nicht betrunken. Aber sie waren anders geworden, und als Don Guillermo herauskam, in aufrechter Haltung, kurzsichtig,

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