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Wem die Stunde schlaegt

Wem die Stunde schlaegt

Titel: Wem die Stunde schlaegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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auf eine Bank unter einem der großen Bäume, die dort ihre Schatten warfen.
 Zwei Bauern aus den Reihen kamen herangeschlendert, sie redeten miteinander, und einer von ihnen rief mir zu: ›Was ist mit dir geschehen, Pilar?‹
 ›Nichts, Mann‹, sagte ich.
 ›Ja‹, sagte er. ›Sprich. Was ist los?‹
 ›Ich glaube, mir ist schon übel davon‹, sagte ich.
 ›Uns auch‹, sagte er, und sie setzten sich beide auf die Bank. Einer von ihnen hatte einen ledernen Weinschlauch, den er mir reichte.
 ›Spül dir den Mund aus‹, sagte er, und der andere setzte das Gespräch fort, das sie miteinander geführt hatten: ›Das Schlimmste dabei ist, daß es uns Unglück bringen wird. Niemand kann mir erzählen, daß das kein Unglück bringt, wenn man einen Menschen so totschlägt wie den Don Guillermo.‹ Dann sagte der andere: ›Wenn es nötig ist, sie alle umzubringen – und ich bin nicht überzeugt, daß es nötig ist –, dann soll man sie anständig umbringen und ohne Spott.‹
 ›Diesen Don Faustino, den durfte man schon verspotten!‹ sagte der andere. ›Denn er war immer ein Hanswurst gewesen und nie ein ernster Mensch. Aber einen so ernsten Menschen wie Don Guillermo verspotten, das ist ganz und gar nicht recht.‹
 ›Mir ist schon übel davon‹, sagte ich, und das war buchstäblich wahr, denn mir war innerlich wirklich ganz übel, und ich hatte ein Gefühl des Schwitzens und einen Ekel im Magen, als ob ich verdorbene Fische gegessen hätte.
 ›Dann Schluß!‹ sagte der eine Bauer. ›Wir wollen uns nicht mehr daran beteiligen. Aber ich möchte wissen, was in den anderen Städten vorgeht.‹
 ›Die Telefondrähte sind noch nicht repariert‹ sagte ich. ›Das ist unangenehm, und man müßte sie reparieren.‹
 ›Gewiß‹, sagte der Bauer. ›Wer weiß, ob wir nicht besser dran täten, die Stadt in Verteidigungszustand zu versetzen, als mit solcher Langsamkeit und Brutalität Menschen zu massakrieren.‹
 ›Ich werde zu Pablo gehen und mit ihm sprechen‹, sagte ich und stand von der Bank auf und ging auf die Arkade zu, die zu der Tür des Ayuntamiento führte, von der aus die Reihen sich über den Platz erstreckten. Es herrschte jetzt viel Unordnung auf dem Platz, die Reihen waren durcheinandergeraten, und viele waren ernstlich betrunken. Mitten auf dem Platz waren zwei Kerle hingefallen und lagen nun auf dem Rücken, und eine Flasche wanderte zwischen ihnen hin und her. Der eine nahm einen Schluck, und dann schrie er: ›¡ Viva la anarquía!‹, lag auf dem Rücken und schrie wie ein Besessener. Er hatte um den Hals ein schwarzrotes Taschentuch. Der andere schrie: ›¡ Viva la libertad!‹ und strampelte mit den Füßen in der Luft und brüllte dann wieder: ›¡ Viva la libertad!‹ Auch er hatte ein schwarzrotes Taschentuch, das schwenkte er in der einen Hand, und in der anderen Hand schwenkte er die Flasche. Ein Bauer, der die Reihen verlassen hatte und jetzt im Schatten der Arkade stand, sah sie voller Ekel an und sagte: ›Sie sollten lieber schreien: Lang lebe der Suff! Das ist alles, woran sie glauben.‹
 ›Nicht einmal daran glauben sie‹, sagte ein anderer Bauer. ›Die verstehen nichts und glauben an nichts.‹
 Und nun stand einer von den Besoffenen auf und streckte die geballten Fäuste zum Himmel und schrie: ›Lang lebe die Anarchie und die Freiheit, und ich sch... auf den Saft der Republik!‹
 Der andere Säufer, der noch auf dem Rücken lag, packte den schreienden Säufer am Fußgelenk und wälzte sich zur Seite, so daß der Schreihals mit ihm hinfiel, und sie purzelten übereinander, und dann setzten sie sich auf, und der, der den anderen heruntergezerrt hatte, legte ihm den Arm um die Schultern, und dann reichte er dem Schreihals eine Flasche und küßte das schwarzrote Tuch, das er um den Hals trug, und beide tranken zusammen.
 Und in diesem Augenblick brach ein Geschrei los, ich blickte die Arkade entlang, aber ich konnte nicht sehen, wer da aus der Tür kam, denn sein Kopf ragte nicht über die Köpfe der Menge empor, die sich vor der Tür des Ayuntamiento drängte. Ich sah nur, daß Pablo und Cuatro Dedos mit ihren Schrotflinten jemanden zur Tür herausstießen, aber ich konnte nicht sehen, wer es war, und ich näherte mich den Leuten, die sich vor der Tür drängten, um zu sehen, wer es sei.
 Es herrschte nun ein großes Stoßen und Drängen, und die Stühle und Tische vor dem Faschistencafé waren umgefallen, bis auf einen Tisch, auf dem ein Betrunkener

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