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Wen die Erinnerung trügt - Crombie, D: Wen die Erinnerung trügt - Where Memories Lie

Wen die Erinnerung trügt - Crombie, D: Wen die Erinnerung trügt - Where Memories Lie

Titel: Wen die Erinnerung trügt - Crombie, D: Wen die Erinnerung trügt - Where Memories Lie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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›Kristallnacht‹ rührte daher, dass die meisten Schaufenster aus teurerem Kristallglas waren und nicht aus gewöhnlichem Glas.
    Der Ausdruck gilt heute in Deutschland als politisch nicht korrekt – er wird als Verklärung und Verharmlosung der Ereignisse empfunden.« Sie schüttelte den Kopf. »Aber wir, die wir das alles miterlebt haben, werden nie das Geräusch der Kristallglasscheiben vergessen, die unter den Hammerschlägen zerbarsten. Bis heute ist es mir unerträglich, wenn Glas zerbricht.« Sie zog sich die Jacke enger um die Schultern und trank einen kleinen Schluck. Die wenigen Eiswürfel waren geschmolzen, und die verdünnte Limonade schimmerte blassgolden wie das Licht der Nachmittagssonne. »Aber genug von solchen Themen. Es ist so ein herrlicher Tag, da sollten wir …«

    »Nein«, unterbrach Kit sie. »Das interessiert mich.Was ist danach passiert? Sind die Nazis in den Laden Ihres Vaters eingebrochen? Wer war eigentlich David? Und warum wollte er nicht weggehen?«
    Erika starrte in ihr Glas und drehte es zwischen den Fingern, und einen Moment lang dachte Kit, sie würde nicht antworten. Dann blickte sie zu ihm auf, und ihre dunklen Augen blitzten freundlich. »Das ist aber eine schwere Aufgabe, vor die du mich da stellst. Bist du sicher, dass du Biologe werden willst und nicht Journalist?«
    »Das ist doch jetzt irrelevant«, sagte Kit, um ein neues Wort auszuprobieren. Als er das letzte Mal mit Gemma zum Tee gekommen war, hatte Erika ihm die Aufgabe gestellt, jeden Tag ein neues Fremdwort zu lernen und Toby ein einfacheres beizubringen. Bei Toby hatte er nicht so viel Erfolg gehabt, aber auf seine eigenen Fortschritte war er ziemlich stolz.
    »Du hast ja gepaukt.« Die umgangssprachliche Wendung klang komisch aus Erikas Mund, die sich sonst so gewählt ausdrückte. »Na schön«, sagte sie nach einer Weile. »Ja. Der Laden meines Vaters wurde kurz und klein geschlagen. Aber er hatte schon einige Stunden zuvor die Gerüchte gehört, und so gelang es ihm, die wertvollsten Stücke in unserem Haus zu verstecken. Weil wir in einer der besseren Gegenden der Stadt wohnten, blieb unser Wohnhaus verschont, allerdings mussten wir uns mit den Dienstmädchen stundenlang im Keller versteckt halten. Ich wusste nicht, wo David war, und ich hatte mehr Angst um ihn als um mich selbst.« Auf Kits fragenden Blick hin fügte sie hinzu: »David war mein Mann. Er war an der Universität mein Professor gewesen. Die Nazis hatten es den Universitäten verboten, Juden als Dozenten einzustellen, deshalb gab David Privatvorlesungen. Die meisten seiner Studenten waren Kinder reicher Eltern, die es sich leisten konnten, ihnen einen Vorsprung im Leben zu verschaffen, und einige von ihnen stiegen später in die
Nazi-Elite auf. Das gab David das Gefühl, versagt zu haben. Als Lehrer gescheitert zu sein.«
    Die Sonne war weitergewandert, und Erikas Gesicht war jetzt im Schatten.Als sie nicht weiterredete, fragte Kit zögernd: »Was hat er denn gelehrt?«
    Diesmal war Erikas Lächeln ohne Humor. »Philosophie. Er glaubte an einen rationalen, friedlichen Staat.«
    Kit hatte plötzlich das Gefühl, sich zu weit vorgewagt zu haben, und er wusste nicht, wie er sich elegant aus der Affäre ziehen sollte. Stattdessen bohrte er immer noch weiter. »Aber Sie sind schließlich davongekommen, nicht wahr? Sie und Ihr Mann.Warum haben Sie Ihren Vater zurückgelassen?«
    Kaum waren die Worte aus seinem Mund, da hätte er alles gegeben, um sie wieder zurücknehmen zu können.
     
    Es war Gavin unangenehm, von oben auf diese Frau hinabzusehen, also zog er sich einen Stuhl heraus. Das Geräusch, mit dem die Stuhlbeine über das Linoleum schrammten, wirkte unnatürlich laut.
    »Mrs. Rosenthal, zunächst einmal müssen Sie mir etwas über Ihren Mann erzählen.«
    »Aber ich habe doch schon … «
    »Bitte.«
    »Aber ich … « Sie gab ihren Widerstand auf, doch er hatte den Eindruck, dass sie die Hände noch fester ineinander verschränkte. Ihre Nägel waren kurz und gepflegt, und als einzigen Schmuck trug sie einen schlichten goldenen Ring.
    »Mein Mann«, sagte sie und atmete dabei hörbar aus, als ob sie sich zur Geduld zwingen müsse, »heißt David Rosenthal. Er ist Lehrer an einer kleinen Privatschule für jüdische Knaben in North Hampstead. Samstags geht er meistens zum Schreiben ins Britische Museum.«
    »Am Sabbat?«, fragte Gavin.
    Der Blick, den sie ihm zuwarf, war durchdringend. »Mein Mann ist kein praktizierender Jude, Mr.

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