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Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition)

Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Waters
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bei. Wir alle wussten, dass sein Vater Constantin dort geboren war. Es war die Stadt seiner Ahnen. Constantius würde den Verlust als bitter empfinden.
    Bald sahen wir, dass er seine Beute nicht nur für die Christen und ihre strengen Kirchen ausgegeben hatte. Drei Meilen außerhalb der Stadtmauer, jenseits der Vorstadtvillen, hatte er sich einen Sommerpalast gebaut – ein weitläufiges Bauwerk mit hohen Gewölbesälen, Mosaikböden und Marmorkolonnaden, das bald selbst so groß war wie eine Stadt, und hatte scharenweise Köche und Kammerdiener, Badesklaven, Schreiber, Gärtner und Männer jeden Gewerbes dort angestellt, die er vielleicht nötig haben könnte. Es war eine Stadt voller Diener, die auf einen allzeit abwesenden Kaiser warteten, denn Constantin war nie dorthin gereist.
    Der Palast gehörte nun uns, und wir wohnten dort in all derPracht zwischen Seidenvorhängen, Kaskadenbrunnen und hallenden Marmorsälen und warteten auf die Rückkehr Nevittas.
    Anfang November, als die ersten kalten Winde von den östlichen Bergen herabwehten, die Zypressen in den Straßen beugten und das herabgefallene Laub in den Höfen durcheinanderwirbelte, traf Nevitta an der Spitze der Kolonne auf seinem Schimmel ein, gekleidet in gefärbte Pelze und mit Gold behängt. Er sah mit sich zufrieden aus.
    »Er erinnert mich an einen barbarischen Eroberer«, sagte ich zu Marcellus.
    Er schaute ernst auf die heranmarschierenden Soldaten. »Ja«, sagte er nach kurzem Schweigen. »Aber wir waren es, die Constantius Illyrien unter der Nase weggeschnappt haben. Das wird ihm gar nicht gefallen.«
    Ich lachte, doch Marcellus behielt seine düstere Miene bei und kniff die Augen gegen die helle Morgensonne zusammen. Er sprach es zwar nicht aus, aber ich wusste, was er dachte: dass er nun wieder unter Nevittas Befehl stand.
    Der brachte uns immerhin Eutherius und Oribasius zurück, und darüber waren wir froh.
    Und mit dem Heer kam auch Rufus.
    Marcellus sah ihn als Erster am Morgen nach der Ankunft des Heeres. »Ich verstehe das nicht«, sagte er. Er hatte erwartet, Rufus laut prahlend anzutreffen wie die übrigen von Nevittas Klientel. Stattdessen war er mürrisch und in sich gekehrt und sah schlecht aus.
    »War er betrunken?«, fragte ich.
    »Es war kurz nach Sonnenaufgang«, antwortete Marcellus, doch als er meinen Blick sah, fügte er hinzu: »Nein, ich glaube nicht.«
    »Er trinkt zu viel.«
    »Ich weiß. Aber das gilt für alle Freunde Nevittas.« Er schüttelte den Kopf. »Nein, es hat andere Gründe. Es hat nichts mit dem Trinken zu tun. Ich glaube, er weicht Freundschaften aus.Seit wir von den Germanen verschleppt wurden, ist er nicht mehr derselbe. Zuvor war die Welt voller Verheißung für ihn.«
    Er wandte sich ab und schaute aus dem Fenster. Draußen auf dem weiten, hellen Hof fegten etliche Gärtner in rot-weißer Livree das Laub aus den Säulengängen.
    Ich sah Marcellus an. Er machte sich Sorgen um Rufus und fühlte sich für ihn verantwortlich, da er damals zu seinem Trupp gehört hatte. Er hatte das Edle in ihm gesehen wie Gold in Erz. Nun bedrückte es ihn, Rufus so würdelos zu erleben.
    Ich wollte ihm erzählen, was die Barbaren Rufus angetan hatten, ließ es dann aber. Ich hatte ein Versprechen gegeben. Selbst jetzt noch sah ich das zerschlagene, flehende Gesicht vor mir. An dem Tag war in ihm, in seiner Seele, etwas zerstört worden, und darum war ich entschlossen, Wort zu halten. Ich hoffte, die Zeit würde Rufus heilen. Auch deshalb schwieg ich – um einen heilenden Gott nicht zu verscheuchen.
    Stattdessen sagte ich: »Er hat wohl sein Selbstvertrauen verloren. Deshalb lässt er sich so leicht beeinflussen.«
    »Ja, von Nevitta oder seinen nichtsnutzigen Kumpanen. Wir haben beide den wahren Rufus erlebt, und das ist er nicht mehr. Sprich doch einmal mit ihm, Drusus. Vielleicht hört er auf dich.«
    Ich behielt meine Zweifel für mich und versprach es. Doch im Stillen dachte ich: Wenn Marcellus nicht an ihn herankommt, schaffe ich es erst recht nicht.
    Am nächsten Morgen machte ich mich auf die Suche nach ihm. In seinem Quartier hieß es, er sei zum Stall gegangen. Im Stall hörte ich von den Pflegern, sie hätten ihn noch nicht gesehen.
    Ich war schon geneigt, die Sache abzublasen. Dann aber kam ein junger Kavallerist auf mich zu und suchte meinen Blick. »Verzeih, Drusus, wenn es dir taktlos erscheint, aber du wirst ihn wohl in der Stadt finden. Versuche es in den Schenken hinter dem Markt, die schon früh am Morgen

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