Wen die Sehnsucht besiegt
zahlen. »Außerdem wirst du nicht wie eine Königin reisen. Du kennst den Geiz meines Vaters. Ganz England weiß, wie er zu knausern pflegt. Zweifellos wird unsere Karawane so ärmlich aussehen, daß sie niemanden an Perkin Maidenhalls Reichtum erinnert. Man wird mich - nein, dich - für die Tochter eines gewöhnlichen Kaufmanns halten, nicht mehr und nicht weniger. Das ist deine Chance… «
»Hör auf! « Frances trat ans Fenster, dann drehte sie sich wieder zu ihrer Kusine um. »Immer mußt du deinen Willen durchsetzen, nicht wahr, Axia? «
»Wie kannst du so etwas behaupten? Ich lebe wie eine Gefangene. «
»Wie eine Gefangene! Ha! Was ein Gefängnis ist, kannst du nur wissen, wenn du arm gewesen bist. So wie meine Familie. Aber du hattest zeitlebens alles, was du dir nur wünschen konntest. Was immer du willst, du brauchst deinen Vater nur darum zu bitten, und du bekommst es. Und dein Wort ist Gesetz in diesem Haus. «
Axia ballte die Hände, aber sie schwieg. Natürlich mußte sie Frances recht geben. Was Armut bedeutete, wußte sie nicht. Während die Welt hungerte, genoß sie jeden erdenklichen Luxus. Trotzdem war sie undankbar und sehnte sich nach Freiheit. Ihre Kusine verstand es immer wieder, Schuldgefühle zu wecken.
»Also gut, ich will dir zeigen, wie es ist, keine Macht zu besitzen«, fuhr Frances fort, als Axia keine Antwort gab. »Macht? « Beinahe blieb das Wort in Axias Kehle stecken. »Glaubst du wirklich, ich wäre mächtig? «
»In diesem Haus bist du die Königin«, erwiderte Frances lachend, »aber du merkst es nicht. «
»Du bist es doch, die mit den Gärtnern flirtet, die Reitknechte neckt und… «
»Gönnst du mir diese kleine Freude nicht? Was habe ich denn sonst? Du brauchst nicht einmal zu sagen: >Öffne die Tür! < Weil sie so oder so geöffnet wird. Du siehst es nicht, wie sich alle überschlagen, um Gnade vor deinen Augen zu finden. «
»Oh, ich lebe so bescheiden wie möglich, aber ich habe von Prinzessinnen gehört… «
»Unsinn, das sind doch nur Märchen. Also gut, warten wir einmal ab, wie du dich als ganz gewöhnliches Mädchen zurechtfinden wirst. Aber ich warne dich. Wenn wir das Spiel beginnen, führen wir’s auch zu Ende. Ich bin die Erbin von Maidenhall, bis wir unser Ziel erreichen. Wenn du in einer Woche oder schon morgen zu mir kommst und erklärst, du möchtest wieder du selbst sein, werde ich behaupten, daß ich nicht weiß, wovon du sprichst. Nur unter dieser Bedingung bin ich einverstanden. «
»Ja, gewiß. « Nachdenklich runzelte Axia die Stirn. »Bildest du dir ein, es wäre so einfach, das Leben einer Legendengestalt zu führen, niemals zu wissen, wer ein Freund und wer ein Feind ist? Vor drei Jahren wurde ich beinahe entführt. Findest du es so großartig, an jedem Morgen voller Angst zu erwachen? «
»So wie ich mich vor dir fürchte? Du mußt deinem Vater nur schreiben und ihn bitten, mich zu meinem Vater und meinen jüngeren Schwestern zurückzuschicken. Als ich zu dir zog, verspielte ich alle Chancen, jemals eine gute Partie zu machen. Weil ich deine Gefangenschaft teile, lerne ich niemanden kennen. Aber vielleicht finden meine Schwestern reiche Ehemänner, nachdem ich mich aufgeopfert habe. «
»Ich schicke dich nicht weg«, beteuerte Axia, wie schon so oft. Doch die Kusine glaubte ihr nicht.
Bei jeder Meinungsverschiedenheit klagte Frances: »Jetzt wirst du mich zu meiner Familie schicken und verhungern lassen! «
Nun entstand ein kurzes Schweigen, dann lächelte Frances. »Wir sollten eine finanzielle Vereinbarung treffen. Oder soll ich mein Leben für nichts und wieder nichts riskieren? So dumm bin ich nicht. «
»Oh, ich hatte auch gar nicht erwartet, du würdest mir nur aus Freundschaft einen Gefallen tun. « Axia entrollte ein Pergament. »Hier ist eine Liste der Dinge, die du erhalten sollst. «
Aufmerksam studierte Frances das Schriftstück, dann schüttelte sie den Kopf. »Das genügt nicht. Für so ein Almosen begebe ich mich nicht in Todesgefahr. «
Auch darauf war Axia vorbereitet. »Setzen wir uns? « schlug sie erschöpft vor. Es dauerte immer sehr lange, mit Frances zu verhandeln.
Stunden später hatten Gold, Juwelen, Kleider und sogar die Pachteinkünfte aus den Ländereien, die einst das Eigentum von Axias Mutter gewesen waren, die Besitzerin gewechselt.
Wie Axia sich eingestand, war der Preis niedriger, als sie angenommen hatte. Sie stand auf und rollte das Pergament zusammen. »Dieser Rollentausch wird dir nicht
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