Wen die Sehnsucht besiegt
spürte, wie er erschauerte, dann sank er auf sie herab. Zärtlich streichelte sie sein Haar und empfand heiße Freude, weil es ihr gelungen war, ihm Erfüllung zu schenken.
»Habe ich dir sehr weh getan? « fragte er leise.
»Nein, gar nicht«, erwiderte sie wahrheitsgemäß, dann kam ihr ein beängstigender Gedanke. »Jetzt muß ich gehen. « Tode würde nach ihr suchen und womöglich das ganze Haus alarmieren.
»Nein! « protestierte er und rückte zur Seite, so daß er nur mehr halb auf ihr lag. Sein Arm umklammerte ihre Taille.
Dann lockerte er den Griff und wandte den Kopf ab. »Natürlich mußt du gehen. «
Sollen sie doch alle nach mir suchen, dachte sie. Was macht es schon aus, wenn sie mich finden? Wie würde mein Vater mich bestrafen? Mit lebenslangem Gefängnis?
Sie rutschte unter Jamies Körper hervor und streichelte sein Gesicht, bis er sie anschaute. »Was quält dich? « wisperte sie. »Sag es mir! «
Nach tagelanger Sorge fühlte er sich unendlich wohl in Dianas Nähe und entspannte sich. »Ach, ich weiß nicht, wie ich sie schützen soll«, entgegnete er, obwohl die Frau nicht ahnen konnte, wovon er redete.
»Oh, die Erbin. « Ihr Arm lag unter seinem Nacken, ihre Wange an seiner Schulter, sein Schenkel über ihren Hüften. Wie intim, dachte sie, und goldrichtig. »Bedeutet sie dir so viel? «
»Ich darf nicht versagen, denn ich trage die Verantwortung für mehrere Menschen. Aber die Wagen… « Gähnend verstummte er.
»Ja, die Wagen. Mit der Aufschrift >Maidenhall<… « Beklommen schnitt sie eine Grimasse. Sie hatte gehofft, sie -oder vielmehr Frances - könnte England durchqueren, ohne von allen Leuten angestarrt zu werden. Doch ihr Vater hatte diese protzigen Wagen geschickt, zweifellos mit unermeßlichem Reichtum beladen, und sie würden während der ganzen Reise neugierige Blicke auf sich ziehen. Sie holte tief Atem. »Wäre ich die Maidenhall-Erbin, würde ich mir wünschen, ich könnte mich in jemand anderen verwandeln. «
»In wen denn? « Jamie lächelte schläfrig. »Die Königin von England? «
»Nein, natürlich nicht. Am liebsten wäre ich eine ganz gewöhnliche Frau, vielleicht eine Kaufmannsgattin. Unterwegs würde ich in einfachen Gasthäusern übernachten oder in einem Zelt wie diesem. Und niemand würde wissen, wer ich bin. «
»Nun, jeder weiß, wer die Maidenhall-Erbin ist. « »Wer? Ich habe gehört, sie sei ihr Leben lang gefangengehalten worden. Niemals durfte sie den Garten hinter den hohen Mauern verlassen. Sie hat sicher noch nichts von der Welt gesehen, kein Puppenspiel, keine Kirche und sie lernte nur Leute kennen, die ihr ordnungsgemäß vorgestellt wurden… «
»Was für eine blühende Phantasie du hast! « meinte Jamie belustigt. »Frances’ Schönheit wird überall Aufmerksamkeit erregen, ganz egal, ob sie erkannt wird oder nicht. Trotzdem könnte ich sie schützen - würde ich allein mit ihr reisen. «
»Soll ich sie mit den Pocken anstecken? « erbot sich Axia. Jamie lachte. »Wie gern würde ich dich mitnehmen! Du gefällst mir. Bei dir würde ich mich jede Nacht von den Strapazen der Reise erholen. «
»Oh, das wäre großartig! « Kindliche Begeisterung schwang in ihrer Stimme mit.
»Aber es geht nicht. «
»Warum nicht? Weil ich häßlich bin? Würdest du dich meiner schämen? «
Was er empfinden mochte, wenn er sie im hellen Tageslicht sah, wußte er nicht. Andere Sorgen plagten ihn. »Womöglich würde sie versuchen, dich zu töten. «
»Wer denn, um Himmels willen? «
»Die Kusine der Erbin. Gewiß, Frances ist eine sanftmütige, wundervolle Frau. Aber ihre mittellose Verwandte platzt fast vor Neid. «
»Oh? « würgte Axia hervor. »Benimmt sie sich schlecht? Vielleicht hat sie allen Grund dazu. Ich glaube, ich würde sie verstehen. Aber ein Mann betrachtet eine Frau oft mit anderen Augen. «
»So wie du mir reizvoll erscheinst und anderen häßlich? « »Ja, in etwa… Hat diese Kusine keinerlei Vorzüge aufzuweisen? «
»Anfangs gefiel sie mir. Dann wurde ich bitter enttäuscht. Ich mag Lügnerinnen nicht. «
»Und wenn es eine Notlüge war? «
Jamie stützte sich auf einen Ellbogen. »Seltsam - das hört sich beinahe so an, als würdest du sie kennen. «
»Natürlich nicht. Wie sollte ich die Kusine der Maidenhall-Erbin kennen? Aber ich weiß, wie man sich fühlt, wenn man eine schöne ältere Schwester hat. «
»Und wieso weißt du, daß die Kusine nicht schön ist? « Axia preßte die Lippen zusammen, dann erwiderte sie:
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