Wen die Sehnsucht besiegt
mißbilligend, als hätte er soeben einen weiteren Beweis ihrer Nichtswürdigkeit erhalten.
Wie sie seinem Blick entnahm, erkannte er »Diana« nicht wieder. »Für gewöhnlich nicht. « Dachte er etwa, sie wäre ein Faulpelz? »Meistens stehe ich viel früher auf… « »Schon gut«, unterbrach er sie und konzentrierte sich wieder auf die Landkarte, womit er Axia deutlich zu verstehen gab, wie unwichtig sie war. »Hier und hier treffen wir die anderen Wagen… «
»Was macht Ihr da? « Sie ging zu Jamie, trat so nah wie möglich an ihn heran und beugte sich über die Karte. An ihrer anderen Seite tauchte Tode auf.
»Lord James hat einen wundervollen Plan«, säuselte Frances. »Oh, bitte, erzählt ihr doch davon! « flehte sie. Unwillkürlich lächelte Axia. Ihre Kusine würde vor nichts zurückschrecken, um die Aufmerksamkeit eines Mannes zu erregen - sich dumm und hilflos stellen, was auch immer. Zum Beispiel ersuchte sie Männer, die kleiner waren als sie, dies oder jenes von hohen Schränken herunterzuholen. Wenn man solche Szenen beobachtete, mußte einem eigentlich übel werden. Aber den Herren der Schöpfung schien alles zu gefallen, was sie tat.
Nun klimperte sie kokett mit den Wimpern. »Bitte! «
Nur widerwillig wandte sich Jamie zu Axia. »Letzte Nacht habe ich einen Boten zu meinen wohlhabenden Verwandten geschickt. Sie werden uns Wachtposten für die beladenen Wagen zur Verfügung stellen, die getrennt von uns fahren. Da die Männer erst morgen eintreffen dürften, müssen wir die Abreise verschieben. Wer immer sie sieht, muß glauben, sie würden die Maidenhall-Erbin und deren Mitgift schützen. Außerdem habe ich jemanden beauftragt, die Rolle der Braut zu übernehmen. «
»Oh, du ahnst nicht, wer mich darstellen wird! « Anmutig legte Frances eine Hand auf Jamies Arm.
»Vielleicht ich? « fragte Axia zögerlich. Sollte die Erbin jemanden spielen, der die Erbin spielte?
»Natürlich nicht! « fauchte er, als hätte sie ihn beleidigt. »Für eine Frau wäre das viel zu riskant. Und jede Frau, die in einem dieser pompösen Vehikel sitzt, würde ihr Leben wagen. «
Axia freute sich zwar, weil er sie vor allen Gefahren bewahren wollte, aber sein Blick erweckte den Eindruck, er würde sie hassen.
»Smith! « platzte Frances heraus. »Der große Bursche, den Vater angeheuert hat, wird sich als Erbin verkleiden. «
Es dauerte eine Weile, bis Axia sich entsann, daß »Vater« eigentlich ihr Vater war. Sie brachte ein schwaches Lächeln zustande. Warum mußte Jamie sie unentwegt anstarren? »Erzählt ihr doch den Rest, Lord James! « drängte Frances. »So ein brillanter Plan! «
Jamie rollte die Landkarte zusammen. Offensichtlich widerstrebte es ihm, Axia irgend etwas mitzuteilen. »Meine beiden Gefolgsmänner und ich bewachen die anderen Wagen. Während der Reise treten wir als Kaufleute auf, und man wird Mistress Maidenhall für meine Frau halten. Wenn sie meinen Namen trägt, kann ich sie besser schützen. « Die Karte unter den Arm geklemmt, musterte er sie ironisch. »Noch etwas? «
Mühsam schluckte sie. Wie sollte sie sich gegen seinen Groll wehren? »Und in welcher Gestalt werde ich reisen? « »Gar nicht. Ihr bleibt hier. «
Das verschlug ihr die Sprache, und der Boden schien unter ihren Füßen zu schwanken. Warum mußte sie hierbleiben? »Da ich die Erbin bewachen werde, ist sie nicht auf Eure Gesellschaft angewiesen«, fuhr er fort. »Außerdem fände ich’s viel zu gefährlich, Euch mitzunehmen. Ihr habt Euren Neid hinlänglich gezeigt - und bewiesen, wozu Ihr fähig seid. «
In ihrer Bestürzung glaubte sie, ihre Seele hätte den Körper verlassen und würde irgendwo an der Zimmerdecke schweben, so daß sie auf alle Anwesenden herabblicken konnte. Sie durfte die Reise nicht unternehmen, mußte weiterhin hinter diesen Mauern ausharren - auf diesem Landsitz, wo sie gefangengehalten wurde, seit sie drei Wochen alt gewesen war, den sie bis zum vergangenen Abend nie verlassen hatte? Nach der Reise, auf die sie sich so gefreut hatte, würde man sie wieder einsperren. Und nun wollte ihr der gräßliche Mann auch noch dieses letzte bißchen Freiheit nehmen.
Sie sah Frances’ triumphierendes Lächeln, James Montgomerys ärgerlich gerunzelte Stirn. Natürlich wußte er nicht, daß sie es war, die ihm letzte Nacht ihr kostbarstes Gut geschenkt und ihre Liebe gestanden hatte. Aber sie erinnerte sich an jede Einzelheit. Und nun verwehrte er ihr das einzige Glück, das sie in ihrem ganzen
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