Wen küss ich und wenn ja, wie viele? - Lilias Tagebuch

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Autoren: Mara Andeck

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zwei.
    9.00 Uhr Richtig geraten.
    »Sie küssen sich«, behauptete Tom, obwohl die Tiere das eindeutig nicht taten. Er sah mich an und machte eine Pause. »Ohne Zunge küssen die«, fuhr er schließlich fort. »Und sie haben die Augen dabei auf!«
    Selbst Herr Schütz konnte das freche Grinsen nicht übersehen, das jetzt auf Toms Gesicht erschien.
    Oh, oh, oh! Der Hasenfrosch runzelte die Stirn. Er sah plötzlich aus wie ein empörtes Eichhörnchen, dem jemand die Lieblingsnuss geklaut hatte. Aber bevor Herr Schütz Tom zum Problembär erklären konnte, hob ich den Finger.
    »Ja, Lilia?«

    »Wolf und Lamm kommen in der Bibel vor, aber auch im Märchen und in Parabeln. Sie verkörpern das Gute und das Böse. Hier stehen sie sich gegenüber und betrachten sich friedlich. Das Lamm flieht nicht, der Wolf greift nicht an. Man könnte also sagen, Gut und Böse scheinen sich hier gegenseitig zu akzeptieren. Sie betrachten sich auf Augenhöhe.«
    Äääääh, war das schleimig, ich weiß. Mitten durch den Reifen gehüpft und dabei auch noch ein Schleifchen im Fell getragen! Normalerweise mache ich so was nicht. Aber ich musste Tom retten, ich war ihm was schuldig. Schließlich war ich es, die ihn in den Balzwahn getrieben hatte.
    Sofort glättete sich die Eichhörnchen-Stirn und Herr Schütz ließ von Tom ab. Er fuchtelte mit den Armen, rollte seine runden Augen und hielt uns eine Rede über Allegorien und personifizierte Tiere und so weiter und so fort.
    Ich sah Tom an und zog eine Augenbraue hoch. Balz schön und gut. Aber gewisse Vorsichtsregeln sollte man doch beachten. Eichhörnchen sind nicht so harmlos, wie sie auf den ersten Blick scheinen. In Niederbayern hat ein wildgewordenes Hörnchen sogar mal drei Menschen angefallen!
    Oh, ding, dang, dong, Reli ist überstanden! Endlich! Jetztgeht’s weiter mit der Balz. Bin gespannt, was Tom sich noch so einfallen lässt.
    10.05 Uhr Ich muss mit Tom reden. Er soll mich lieber nicht mehr mit dem Motorrad zur Schule bringen. Kann ja sein, dass sich mein Rang unter den Mädels dadurch verbessert hat, aber was habe ich davon, wenn alle Jungs in der Pause rausgehen und nur noch an der Maschine herumschrauben?
    Unter den Mädels war die Stimmung deswegen eben ziemlich mies. Interessanter Nebeneffekt meines sozialen Aufstiegs: An mir lassen sie es nicht mehr aus. Mich umgibt heute so eine Art Käseglocke, die vor Zickenterror schützt. Dana hat die schon lange, sie bekommt nie Sticheleien ab, sie ist zu schön. Aber Maiken ist das schwächste Glied in unserer Clique, also musste sie heute Vickys Laune ausbaden.
    »Weißt du, was ich an dir toll finde, Maiken?«, fragte die Glitzerschlange eben in der Pause.

    »Was denn?«, gab Maiken arglos zurück. Vickys Hofschar war nicht so ahnungslos. Nina grinste schon hinterhältig, die wusste, dass jetzt ein Hammer kommen würde.
    »Ich finde es toll, wie wenig du dir aus deinem Aussehen machst.« Vicky plinkerte unschuldig mit den Wimpern. »Ich bewundere einfach Leute, denen es total egal ist, wenn sie uncoole Klamotten tragen und bescheuert aussehen.«
    Maiken tat das einzig Wahre, das man in einer solchen Situation tun kann: Sie drehte sich um und ging. Ich wäre an ihrer Stelle nicht so klug gewesen, vermutlich hätte ich versucht, Vicky ihre Bemerkung heimzuzahlen. Aber das funktioniert ja doch nie. Schlagfertige Antworten fallen einem immer dreiWochen zu spät ein, wenn überhaupt, und bevor man sich zusätzlich lächerlich macht, sollte man lieber die Klappe halten. Ich sagte auch nichts, denn wenn Freunde in einer solchen Situation eingreifen, ist das nicht hilfreich. Es sieht aus, als käme man selbst nicht klar. Sogar Dana schwieg, obwohl man ihr deutlich ansah, dass sie sauer war.
    10.30 Uhr Mal ganz ehrlich – Maiken sieht heute wirklich ein bisschen seltsam aus. Sie trägt eine schwarze Bluse mit Ärmeln, die zu den Händen hin immer weiter werden, und einen schwarzen Flatterrock. Das hat schon ein bisschen was von einer Fledermaus. Aber irgendwie sieht sie auch süß aus: romantisch, verspielt und gleichzeitig düster. Das passt zu ihr, so ist sie.

    10.40 Uhr Bin zu dem Schluss gekommen: Maiken muss aussehen dürfen, wie sie will. Sie braucht ganz dringend auch eine Anti-Mobbing-Käseglocke. Aber wie kriegt man die? Wie funktioniert das im Tierreich? Wie kann ein Rudeltier seinen Rang verbessern? Hab ich dazu irgendwo was gelesen? Hmmm.
    10.45 Uhr Das Tier muss Macht gewinnen, es muss andere mit irgendetwas beeindrucken