Wen küss ich und wenn ja, wie viele? - Lilias Tagebuch
Zwischenstand: Deine Maschine läuft wie geschmiert. Habe sie sogar ein bisschen poliert. Und meine Balz lief dank ihrer Hilfe auch super.
Zuerst die Fahrt zur Schule: Lilia hat es die Sprache verschlagen, als ich so vor ihr stand. Und dann: eine Mega-Show auf dem Schulhof, den ganzen Vormittag lang. Dein Plan war gut. Benny und Jakob haben total vergessen, dass es Lilia gibt, ja dass es überhaupt Mädchen gibt. Die sahen nur noch PS und Motoren. Genau wie du es vorhergesagt hast.
Und dann habe ich noch einen weiteren Schachzug gestartet, um Lilia die Balz mit anderen Jungs zu vermasseln und damit meine Chancen zu verbessern. Ganz wissenschaftlich fundiert, hab den Trick zufällig im Bio-Buch gefunden. Wusstest du, wie sich Schmetterlinge Rivalen vom Leibe halten? Männliche Passionsblumenfalter bestäuben ihre Weibchen mit einem Geruch, der andere Männchen abtörnt.
Hab ich heute auch gemacht. Habe Lilia zu einem Döner eingeladen. Mit doppelter Ration Knofi. Sie hat ihn gegessen, denn sie weiß ja nichts von der Party heute Abend. Muhaha.
Letzter Teil meines Plans: Um wirklich sicher zu sein, dassJakob nachher die Finger von Lilia lässt, habe ich einfach Vicky eingeladen. Die wird ihn schon von ihr abhalten.
Maiken kümmert sich gerade mit Florian ums Buffet. Die arme Dana muss Lilia heute beschäftigen, damit die nicht nach Hause kommt und die Partyvorbereitungen entdeckt. Ich telefoniere stündlich mit ihr, denn zum Glück hat sie die Party-Planung auch von Ferne fest im Griff. Ich hätte zum Beispiel Servietten und Deko total vergessen, wenn sie mich nicht daran erinnert hätte.
Hihi. Eben am Handy sagte sie, dass sie es kaum mit Lilia in einem Zimmer aushält. Klang ein bisschen verzweifelt.
So, ich muss mich jetzt fertig machen, in einer Stunde geht’s los.
So long,
Tom
Samstag, 28. Mai
Obstfliegen-Jungs betören ihre Angebetete mit Balzgesang. (Das stelle ich mir niedlich vor!) Wissenschaftler haben jetzt herausgefunden, dass die Songs der Obstfliegenmännchen das Immunsystem ihrer Weibchen verbessern. (Das stelle ich mir nur sehr ungern vor. Nicht das Immunsystem, sondern die Wissenschaftler! Wer macht so was? Wie? Warum?)
1.00 Uhr nachts. Ich sitze an meinem Schreibtisch vorm Laptop und bin wonnigster Laune.
1.05 Uhr Da auf dem Bildschirm, da sieht man sie. Meine Freunde. Sechzehn an der Zahl. Sind sie nicht wundervoll!?! Ich liebe sie.
So, jetzt starre ich das Bild noch ein bisschen an und dann klicke ich auf Play.
Jep. Los geht’s. Mein Geburtstagsständchen.
Schnipp. Schnipp. Schnipp. Schnipp.
Toller Sound, wie sie da alle mit den Fingern schnippen! Ich kann gar nicht genug davon bekommen.
Schrimmschrammschrumm – die Gitarrenakkorde von Tom! Und jetzt setzt der Chor ein:
Shálla–lalálla-lálla-lalá,
happy birthday, sweet sixteeeeeheen!
Shálla–lalálla-lálla-lalá,
happy birthday, sweet sixteeeeeheen!
Maiken tritt vor. Ganz in Schwarz. Laut und sicher singt sie:
»Tonight’s the nihiiiight,
I’ve waited fohooor,
because you’re not a baby
aaaaaanymohore.
You’ve turned into the prettiest girl I’ve ever seeeeeeeeeeeeeeeeeeen. Happy birthday, sweet sixteeeeeheeeeeeeen.«
Haaach. Ich schau mir diesen Film jetzt schon zum siebten Mal an, obwohl das Bild wackelt und der Ton ein bisschen britzelt. Und wenn er fertig ist, guck ich ihn noch mal an. Und danach wieder. Gleich kommt meine Lieblingsstelle, die mit dem Keyboard-Solo, gespielt von Jakob. Wie er da so in die Tasten haut, nur für mich, und eine Strähne seiner dunklen Haare fällt ihm in die Stirn – das ist Gänsehaut pur. Achtung! Jetzt! Dass das gut für mein Immunsystem ist, fühle ich selbst, dazu brauche ich keine Wissenschaftler. Meine Immunzellen schlagen einen Salto vor Glück, wenn ich das sehe!
So, der letzte Refrain, danach schwenkt die Kamera auf mich. Ich bin auch süß, das muss ich hier echt mal selbst sagen. Danas Lila-Lilia-Outfit steht mir gut und ich strahle mit den sechzehn Kerzen auf der Geburtstagstorte um die Wette. Man sieht mich leider nur kurz, denn jetzt sind die Sänger fertig. Sie brüllen »Happyyyy Birthday, Liiiiiliaaaaa« und rennen mit fuchtelnden Armen auf mich zu. Die Kamera wackelt, dann ist alles schwarz.
Das war der Moment, in dem das Stativ umfiel.
Ende der Aufzeichnung. Kamera futsch. Schade.
Aber egal, Mausklick auf Play, einfach alles noch mal von vorn.
Schnipp. Schnipp. Schnipp. Schnipp.
Schrimmschrammschrumm.
Shálla–lalálla-lálla-lalá.
1.20
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