Wen küss ich und wenn ja, wie viele? - Lilias Tagebuch
sechs. Ätsch.
17.00 Uhr So, Zimmer ist aufgeräumt. Haare sind gewaschen. Wangen sind rosarot. Habe unzählige Outfits anprobiert und wieder verworfen. Trage jetzt weiße Shorts und ein lila-weiß geringeltes Top, passend zur Haarsträhne. Oder ist das doof? Geringelt ist so niedlich. Vielleicht nehme ich doch das türkisfarbene Shirt? Aber das passt nicht zur Lila-Lilia-Strähne. Hmmm, eigentlich kann die doch jetzt weg, denn wenn ich Jakob ans Küssen erinnern will, gibt es inzwischen bessere Methoden. Okay, also Strähne weg, T-Shirt in Türkis.
Und jetzt?
Oder besser: Und nachher?
Was mach ich, wenn Jakob da ist?
Nee, nee, nee, nicht schon wieder alles kompliziert machen. Ich überlege mir jetzt nicht, was ich sagen oder tun werde, ich sage und tue es ja dann doch nicht. Ich atme jetzt ganz tief durch, entspanne alle Muskeln, finde meine innere Mitte und bin gaaaanz ich selbst. Einatmen. Ausatmen. Einatmen. Ausatmen.
Ohgottohgottohgott, bin ich nervös. Ich glaube, ich rufe mal eben Dana an.
17.15 Uhr Das gibt’s doch nicht! Habe eben Danas Nummer gewählt und sie ging nicht dran. Das ist ja noch nicht ungewöhnlich, aber jetzt kommt’s: Als ich das Freizeichen hörte, da hörte ich auch Danas Klingelton. Von nebenan, durch die Wand!!! Ha! Dana ist in Flockes Zimmer! Alte Heimlichtuerin!
Hähä, eigentlich lustig. Soll ich ganz zufällig rübergehen und die beiden ertappen? Flocke hätte das verdient. Ich könnte dann mit spitzer Stimme sagen: Oh, sorry, ich dachte du stehst im Abitur.
Aber natürlich mache ich das nicht, Dana ist ja meine Freundin.
18.00 Uhr Ich bin gaaaanz ruhig und entspannt. (Warum sind meine Knie eigentlich so wackelig???)
Hätte ich doch das geringelte Shirt anziehen sollen? Oder das gelbe?
18.15 Uhr Wo bleibt er denn?
18.30 Uhr Immer noch nichts.
18.45 Uhr Tom wäre gekommen. Aber der ist jetzt bestimmt bei Vicky.
19.00 Uhr Habe eben Jakobs Telefonnummer in meinem Handy gelöscht.
20.00 Uhr Habe Jakob aus meinem Gedächtnis gelöscht.
21.20 Uhr Muss trotzdem an ihn denken.
23.00 Uhr Das war ja mal merkwürdig, eben: Ich lag im Bett, über mir mein neuer Sternenhimmel, hörte Frustmucke und piekte mit einer Stricknadel Löcher in die Lilienkerze, die Jakob mir geschenkt hat. Dabei stellte ich mir vor, wie er diese Stiche durch einen wundersamen Voodoo-Zauber in allen möglichen und unmöglichen Körperregionen spüren würde. Und plötzlich klackerte eine ganze Handvoll Steinchen an mein Fenster. Als ich das Fenster öffnete, stand er da. Jakob. Ich war richtig erschrocken, aber ich fing mich schnell wieder.
Ich sagte nichts. Ich lächelte nicht. Ich sah nur von oben auf ihn herab, was mir leichtfiel, da er ja drei Meter unter mir stand.
»Lass mich mal rein«, flüsterte er.
Ich rührte mich nicht.
»Bitte.« Das sagte er ganz leise. Er war blass und wirkte aufgeregt.
»Was du mir sagen willst, das kannst du mir auch so sagen.« Er tat mir ja schon ein bisschen leid, aber so langsam hatte ich echt genug auf ihn gewartet.
»Lilia, ich versteh ja, dass du sauer bist. Aber glaub mir, ich wollte kommen und es ging nicht. Jetzt lass mich doch rein.«
»Nö.«
»Mensch, du musst mir einfach glauben, dass das nichts mit dir zu tun hatte.« Er fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare und sah dabei richtig verzweifelt aus.
Pöh. Verzweifelt war ich auch. Seinetwegen!
»Es ist mir egal, ob das was mit mir zu tun hatte oder nicht«, zischte ich. »Ich habe gewartet. Du hättest mich anrufen können.«
»Konnte ich nicht!«
»Warum? Ich kapier’s nicht. Die Welt ist voll von Telefonen. Was ist denn passiert? Hattest du einen Unfall?«
»So ähnlich. Hör mal, ich kann wirklich nicht mehr, ich bin völlig am Ende. Du musst mir einfach vertrauen. Ich schwöre dir, so etwas passiert mir nie wieder.« Und weg war er.
Ich weiß ja nicht, was ich davon halten soll, aber ich hab dann doch seine Handynummer wieder eingegeben, ich kann sie nämlich auswendig. Und die Kerze habe ich rundum mit einem Feuerzeug angekokelt und versucht, die Löcher mit weichem Wachs wieder zuzudrücken. Schöner ist sie dadurch nicht geworden. Aber jetzt lasse ich sie einfach runterbrennen, dann sieht man das nicht mehr.
Betr.: Always look on the bright side of life
Datum: 30.05., 23:55 Uhr
Von: Tom Barker
An: Felix von Winning
Hi altes Hinkebein,
jep, wir machen das jetzt, Vicky und ich: Wir machen Lilia und Jake eifersüchtig. Und ich glaube, es
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