Wen küss ich und wenn ja, wie viele? - Lilias Tagebuch
bis du da bist, und später als elf soll das nicht werden.«
Ich: »Äh. Flocke?«
Er: »Wä?«
Ich: »Worum geht’s hier wirklich?«
Er: »Wieso? He, ich wollte nur nett sein.«
Ich: »Nee, nee, nee, so nicht. Ich weiß genau, was du willst. Mitfeiern, das willst du. Mich hinbringen und dann hängenbleiben.«
Er: »Wä? Spinnst du?«
Ich: »Ich sag nur ein Wort: Dana!«
Er: Wird dunkelrot.
Ich: Werde weich.
Er: »Hokay. Also. Und jetzt?«
Ich: »Klar. Kein Problem. Wäre toll, wenn du mich hinbringst.«
Er: »Hokay. Na dann.«
Ich: »Ach übrigens …«
Er: »Hm?«
Ich: »Jeder muss was mitbringen. Zum Essen. Und meinen Beitrag, den könntest doch eigentlich du übernehmen. Du hast ja Zeit. Du stehst ja jetzt gerade nicht im Abitur.«
Er: »Hokay.«
Ich: Wundere mich. Hatte mich auf eine längere Diskussion eingestellt. Hatte fest damit gerechnet, dass ich den Streit verliere. Bekomme plötzlich ein schlechtes Gewissen. Finde mich fies. Bäh!
Er: »Also, dann ist ja alles klar.«
Ich: »Flocke, halt, stopp! Ich helf dir, wir kochen zusammen.«
Er: »Nee. Schon okay. Mach ich.«
Er geht.
Versteh einer die Männer!
10.30 Uhr , Deutsch, Arbeitsauftrag: Gedichtinterpretation. Bin schon fertig. Das gibt mir Zeit für eigene Notizen.
Wollte Jakob heute kühl behandeln. Bin aber gescheitert. Mein Zorn schnurzelte zusammen wie ein Regenwurm in der Sonne, als ich ihn im Sportunterricht bei der Balz erlebte. Er ist ja schon niedlich! Ich kann ihm nicht lange böse sein.
Wir Mädchen sollten drinnen am Barren turnen, während dieJungs draußen auf dem Platz vor der gläsernen Hallenfront Fußball spielten. So die Theorie.
In der Praxis sah das so aus: Immer zwei von uns Mädels hampelten am Barren herum und ließen sich von Frau Dülker Anmut und Grazie beibringen (»Streckt eure Füüüüßeee! Jaaa. Suuuuper!«), während die anderen am Rand auf den Matten saßen und durch die Glaswand den Jungs beim Spiel zusahen.
Die waren auch nicht eifriger bei der Sache als wir, denn sie wussten genau, dass wir guckten. Keiner konzentrierte sich auf den Ball. Alle versuchten, in der Nähe der Glaswand herumzutänzeln und dabei möglichst gut auszusehen. Mehr als ein Versuch war das bei den meisten allerdings nicht, denn Jungs in kurzen Hosen mit Kniestrümpfen an den Waden haben ungefähr dieselbe erotische Ausstrahlung wie Bart Simpson. Jakob dagegen! Der wirkt cool, egal, was er anhat!
Er schlenderte vor die Glaswand, zog mit einer einzigen Handbewegung sein T-Shirt über den Kopf, wischte sich damit den Schweiß von der Stirn und warf es achtlos auf den Rasen. Unsere Pfiffe aus dem Inneren der Halle schien er gar nicht zu hören. Er wärmte sich mit Dehnübungen auf, als wäre er allein auf der Welt. Und das dauerte, denn es waren eine Menge Muskeln, die er dehnen musste. Dann trabte er leider aus unserem Blickfeld, was im Innern der Halle mit einem vielstimmigen »Oooooooh« kommentiert wurde.
Eine Minute später war er wieder da. Balztanz, Teil 2: Jetzt tat er nicht mehr so, als wären wir nicht da. Er trat vor die Scheibe, blieb vor uns stehen und trommelte sich mit beiden Fäusten auf den Brustkorb wie ein Gorillamännchen. Die Mädels johlten, er grinste, dann war er wieder weg.
Kurz danach der nächste Auftritt: Jakob lief an der Scheibe vorbei – auf den Händen. Dabei wurde er allerdings von Herrn Maier erwischt. Der pfiff ihn zur Ordnung, woraufhin Jakob eine ganze Weile aus unserem Sichtfeld verschwand. Unter den Spielern war er aber auch nicht zu sehen und ich vermutete ihn schon auf der Ersatzbank, als er plötzlich wieder vor uns stand. Oder besser: vor mir! Er trug Löwenzahnblüten hinter beiden Ohren und in der Hand hielt er einen kleinen bunten Blumenstrauß, der ziemlich zerrupft aussah. Er sank auf die Knie und streckte mir seine Blümchen entgegen. Ich lächelte, ich konnte gar nicht anders. Das war der Moment, in dem ich meinen Groll vergaß. Mit beiden Zeigefingern zeichnete ich ein Herz in die Luft.
Schade, dass Herr Maier in diesem Moment hinter Jakob auftauchte und ihm mit deutlichen Worten klarmachte, was er von seinem Blümchen-Look hielt.
Jakob senkte zerknirscht Kopf und Blick, allerdings nicht, ohne mir noch einmal zuzublinzeln. Dann folgte er Herrn Maier, der immer noch redete und gestikulierte.
Alle Jungs standen jetzt in der Mitte des Fußballfeldes. Herr Maier maß mit großen Schritten eine Entfernung von einigen Metern ab, rief Tom zu sich und drückte ihm einen
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