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Wendekreis des Krebses

Wendekreis des Krebses

Titel: Wendekreis des Krebses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
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Pritschen gesehen hättest, die ich hier heraufbringe, hättest du keine Illusionen mehr. Sie sind schlimmer als die Jungfrauen, die Verheirateten. Sie warten nicht, bis du die Sache in die Hand nimmst – sie fischen ihn selbst für dich heraus. Und dann reden sie nachher von Liebe. Es ist ekelhaft. Ich sage dir, ich fange an, die Pritschen richtig zu hassen!»
    Er blickt wieder zum Fenster hinaus. Rieselregen. So sprüht es nun schon seit fünf Tagen.
    «Gehen wir zum Dôme , Joe?» Ich nenne ihn Joe, weil er mich Joe nennt. Wenn Carl mit uns ist, heißt er auch Joe. Jedermann ist Joe, weil das einfacher ist. Es ist auch eine liebenswürdige Ermahnung, sich nicht zu ernst zu nehmen. Jedenfalls, Joe will nicht ins Dôme – er ist dort zu viel Geld schuldig. Er will ins Coupole gehen. Zuerst will er einen kleinen Spaziergang um den Block machen.
    «Aber es regnet, Joe.»
    «Ich weiß, aber wenn schon! Ich brauche meinen Verdauungsspaziergang. Ich muß mir den Dreck aus dem Bauch spülen.» Als er das sagt, habe ich den Eindruck, daß die ganze Welt in seinem Leib zusammengeballt ist und dort verfault.
    Während er seine Sachen anzieht, verfällt er wieder in seinen Halbschlaf. Er steht da mit einem Arm in seinem Mantelärmel und den Hut nach hinten und beginnt laut von der Riviera, von der Sonne, von einem mit Nichtstun verbrachten Leben zu träumen. «Alles, was ich vom Leben verlange», sagt er, «sind ein paar Bücher, ein paar Träume und ein paar Pritschen.» Während er das nachdenklich murmelt, sieht er mich mit dem sanftesten, hinterhältigsten Lächeln an. «Gefällt dir dieses Lächeln?» fragt er. Und dann, angeekelt: «Mein Gott, wenn ich bloß eine reiche Pritsche finden könnte, um sie so anzulächeln!
    Nur eine reiche Pritsche kann mich jetzt noch retten», sagt er mit einem Ausdruck äußersten Überdrusses. «Man wird es müde, ständig hinter neuen Pritschen herzujagen. Es wird mechanisch. Die Schwierigkeit, siehst du, besteht darin, daß ich mich nicht verlieben kann. Ich bin ein zu großer Egoist. Die Weiber helfen mir nur zu träumen, das ist alles. Es ist ein Laster wie Trinken oder Opium. Ich muß jeden Tag eine neue haben; wenn nicht, werde ich krank. Ich denke zu viel. Manchmal staune ich über mich selbst, wie rasch ich losgehe – und wie wenig es mir wirklich bedeutet. Ich tue es fast automatisch. Manchmal denke ich überhaupt nicht an Weiber, aber plötzlich merke ich, wie mich eine Frau ansieht, und peng! fängt alles von vorne an. Bevor ich weiß, was ich tue, habe ich sie auf meinem Zimmer. Ich weiß nicht einmal, was ich zu ihnen sage. Ich bringe sie in mein Zimmer hinauf, tätschle ihren Hintern, und ehe ich weiß, was gespielt wird, ist’s vorüber. Es ist wie ein Traum. Verstehst du, was ich meine?»
    Er hat nicht viel für die Französinnen übrig. Kann sie nicht ausstehen. «Entweder wollen sie Geld oder sie wollen geheiratet werden. Im Grunde sind sie alle Huren. Lieber einen Ringkampf mit einer Jungfrau», sagt er. «Sie geben einem ein bißchen Illusion. Sie wehren sich wenigstens.» Trotzdem, als wir einen Blick über die terrasse werfen, ist dort kaum eine Hure sichtbar, die er nicht zu dieser oder jener Zeit gefickt hat. An der Bar stehend, zeigt er sie mir, eine nach der anderen, erläutert sie anatomisch, beschreibt ihre guten und schlechten Seiten. «Sie sind alle frigide», sagt er. Und dann beginnt er seine Hände zu kneten in Gedanken an die netten, saftigen Jungfrauen, die einfach verrückt darauf sind.
    Mitten in seinen Träumereien hält er plötzlich inne, ergreift mich aufgeregt am Arm und deutet auf einen Wal von einem Weib, das sich gerade auf einem Sitz niederläßt. «Dort ist meine dänische Pritsche», ächzt er. «Siehst du diese Schinken? Dänisch . Wie gern diese Frau es treibt! Sie bettelt mich geradezu darum an. Komm hierher … sieh sie dir jetzt von dieser Seite an! Schau dir diesen Hintern an, ja? Er ist riesig. Ich sage dir, wenn sie auf mich klettert, kann ich ihn kaum mit den Armen umspannen. Er verdeckt die ganze Welt. Ich komme mir bei ihr wie ein kleiner Käfer vor, der in sie hineinkriecht. Ich weiß nicht, warum ich so scharf auf sie bin – ich vermute, es ist dieser Hintern. Er ist so unwahrscheinlich. Und die Falten, die er schlägt. Einen solchen Hintern kann man nicht vergessen. Das ist Tatsache … eine solide Tatsache. Die anderen langweilen einen oder schenken einem einen Augenblick der Illusion, aber die da mit ihrem Hintern: –

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