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Wendekreis des Krebses

Wendekreis des Krebses

Titel: Wendekreis des Krebses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
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Höllenlärms geladen, einer Note lauernder Gewalttätigkeit, als bedürfe es zu der erwarteten Entladung nur noch einer winzigen Kleinigkeit, etwas Mikroskopischem, aber ganz Unvorhergesehenem, völlig Unerwartetem. In dieser Art Halbtraum, der einem erlaubt, an einem Geschehen teilzunehmen und doch ganz losgelöst zu bleiben, begann die fehlende kleine Einzelheit sich dunkel, aber beharrlich zu ballen, eine zerbrechliche, kristalline Form anzunehmen wie der auf einer Fensterscheibe erstarrte Frost. Und wie diese Eisblumen, deren Muster bizarr, so völlig ungebunden und phantastisch erscheinen, dennoch den strengsten Gesetzen unterworfen sind, so schien auch dieses Gefühl, das in mir Form anzunehmen begann, unausweichbaren Gesetzen zu gehorchen. Mein ganzes Sein beugte sich den Befehlen einer Umgebung, die ich nie zuvor empfunden hatte. Was ich als mein Selbst bezeichnen könnte, schien sich zusammenzuziehen, zu verdichten, den altgewohnten Grenzen des Fleisches zu entgleiten, deren Bereich mit den Modulationen der Nervenenden begrenzt war.
    Und je körperlicher, je stofflicher mein Kern wurde, desto empfindlicher und sonderbarer schien die umgebende, greifbare Wirklichkeit, aus der ich herausglitt. Im selben Maße, wie ich mehr und mehr metallisch wurde, weitete sich die Szene vor meinen Augen. Der Spannungszustand war jetzt so zum Zerreißen gediehen, daß das Hinzukommen eines einzigen Fremdteilchens, eines, wie gesagt, auch nur mikroskopischen Atoms, alles zerschmettert hätte. Vielleicht für den Bruchteil einer Sekunde erlebte ich jene Klarheit, die, wie es heißt, der Epileptiker kennt. In diesem Augenblick war ich vollständig frei von der Illusion von Zeit und Raum: die Welt entrollte ihr Drama gleichzeitig über einen Meridian, der keine Achse hatte. In dieser Art von Stechschloß-Ewigkeit fühlte ich, daß alles gerechtfertigt, erhaben und gerechtfertigt war. Ich fühlte in mir die Kriege, die diesen Fleischbrei und diese Trümmer zurückgelassen hatten. Ich fühlte die Verbrechen, die hier brüteten, um morgen brüllend hervorzubrechen. Ich fühlte das Elend, das sich selbst mit Mörser und Stößel zerstampfte, das lange, stumpfe Elend, das in schmutzige Taschentücher vertropft. Auf dem Meridian der Zeit gibt es keine Ungerechtigkeit: dort ist nur die Poesie der Bewegung, welche die Illusion von Wahrheit und Drama schafft. Wenn man einen Augenblick irgendwo dem Absoluten von Angesicht zu Angesicht gegenübersteht, erkaltet die große Sympathie, die Männer wie Gautama und Jesus göttlich scheinen läßt. Das Ungeheuerliche ist nicht, daß die Menschen Rosen aus diesem Düngerhaufen hervorgebracht haben, sondern daß sie, aus diesem oder jenem Grunde, nach Rosen verlangen . Aus diesem oder jenem Grunde sucht der Mensch das Wunder, und um es herbeizuführen, watet er durch Blut. Er feiert Ideenorgien, würdigt sich zu einem Schatten herab, wenn er nur für einen Augenblick seines Lebens die Augen vor der Scheußlichkeit dieser Wirklichkeit verschließen kann. Alles – Schande, Erniedrigung, Armut, Krieg, Verbrechen, ennui – wird in dem Glauben ertragen, daß über Nacht etwas geschehen wird, ein Wunder, welches das Leben wieder erträglich werden läßt. Und die ganze Zeit läuft innerlich eine Zähluhr, und es gibt keine Hand, die hineingreifen und sie abstellen kann. Die ganze Zeit ißt einer das Brot des Lebens und trinkt den Wein, eine schmutzige, fette Küchenschabe von einem Priester, der sich damit im Keller versteckt vollpraßt, während droben im Straßenlicht ein gespenstisches Meßopfer die Lippen berührt und das Blut blaß ist wie Wasser. Und aus der endlosen Qual und dem Elend kommt kein Wunder hervor, nicht einmal eine mikroskopische Andeutung von Erlösung. Nur Ideen, blasse, magere Ideen, die durch Blutvergießen gemästet werden müssen. Ideen, die zutage treten wie Galle, wie die Eingeweide eines Schweines, dem der geschlachtete Wanst aufgeschnitten wird.
    Und so denke ich, was für ein Wunder es wäre, wenn sich herausstellte, daß dieses Wunder, das der Mensch ewig erwartet, nicht mehr ist als diese zwei riesigen Kottrümmer, die der gläubige Jünger ins Bidet fallen ließ. Wie wär’s, wenn im letzten Augenblick, da die Festtafel gedeckt ist und die Zimbeln erschallen, plötzlich und ganz ohne Warnung eine silberne Platte erschiene, auf der, wie sogar der Blinde erkennen könnte, nicht mehr und nicht weniger liegen als zwei riesige Klumpen Scheiße. Das, glaube ich, wäre

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