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Wendekreis des Krebses

Wendekreis des Krebses

Titel: Wendekreis des Krebses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
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vorkam, als seien wir schon einen Monat oder länger in Le Havre. Wir hatten uns vorgenommen, zeitig am Montagmorgen abzureisen, da Fillmore wieder zurück und an die Arbeit mußte. Tripper hin, Tripper her, jedenfalls verbrachten wir den Sonntag mit Trinken und Schmusen. An diesem Nachmittag vertraute Collins uns an, daß er daran denke, auf seine Ranch nach Idaho zurückzukehren. Er war acht Jahre nicht mehr daheim gewesen und wollte noch einmal einen Blick auf die Berge werfen, ehe er eine neue Reise nach dem Osten machte. Wir saßen zu der Zeit gerade in einem Bordell und warteten auf das Erscheinen eines Mädchens. Er hatte versprochen, ihr etwas Kokain zu bringen. Er habe die Nase voll von Le Havre, versicherte er uns. Zu viele Geier, die ihn dauernd umschwirrten. Außerdem hatte Jimmies Frau sich in ihn verliebt und machte ihm mit ihren Eifersuchtsanfällen die Hölle heiß. Fast jede Nacht gab es einen Auftritt. Sie habe sich seit unserer Ankunft gut benommen, aber das würde nicht lange dauern, versicherte er uns. Sie war insbesondere auf eine Russin eifersüchtig, die dann und wann, wenn sie betrunken war, in die Bar kam. Eine Unruhestifterin. Zu alldem kam hinzu, daß er wahnsinnig in den Jungen verliebt war, von dem er uns am ersten Tag erzählt hatte. «Ein Junge kann einem das Herz brechen», sagte er. «Er ist so verflucht schön! Und so grausam!» Darüber mußten wir lachen. Es klang abgeschmackt. Aber Collins meinte es ernst.
    Am Sonntag gegen Mitternacht zogen Fillmore und ich uns zurück. Man hatte uns ein Zimmer oben über der Bar angewiesen. Es war drückend heiß, kein Lüftchen regte sich. Durch die offenen Fenster konnten wir sie unten grölen und dauernd das Grammophon leiern hören. Ganz plötzlich brach ein Sturm los, ein richtiger Wolkenbruch. Und zwischen den Donnerschlägen und den Regengüssen, die an die Scheiben klatschten, drang der Lärm eines anderen Sturmes an unsere Ohren, der drunten in der Bar tobte. Es klang schrecklich nahe und unheilvoll; die Weiber schrien aus vollem Hals, Flaschen splitterten, Tische stürzten um, und man hörte den bekannten, abscheulichen Aufprall, den ein menschlicher Körper verursacht, wenn er auf den Boden kracht.
    Gegen sechs Uhr steckte Collins den Kopf durch den Türspalt herein. Sein ganzes Gesicht war verpflastert, und ein Arm steckte in einer Schlinge. Ein breites Grinsen lag auf seinem Gesicht.
    «Ganz wie ich euch prophezeit habe», sagte er. «Sie legte vergangene Nacht los. Ich nehme an, ihr habt den Radau gehört.»
    Wir zogen uns rasch an und gingen hinunter, um Jimmie Lebewohl zu sagen. Das Lokal war vollkommen demoliert, keine Flasche stand mehr da, kein Stuhl, der nicht zerbrochen war. Der Spiegel und das Auslagefenster waren in Stücke zerschmettert. Jimmie mischte sich gerade einen Eierschnaps.
    Auf dem Wege zum Bahnhof reimten wir uns die Geschichte zusammen. Die Russin war hereingekommen, nachdem wir zu Bett gegangen waren, und Yvette hatte sie sofort beschimpft, ohne auch nur auf einen Anlaß zu warten. Sie waren einander in die Haare geraten, und mitten drin war ein großer Schwede hereingekommen und hatte der Russin einen kräftigen Kinnhaken versetzt, um sie zur Vernunft zu bringen. Damit brach die Hölle los. Collins wollte wissen, mit welchem Recht der große Lümmel sich in einen Privatstreit einmischte. Er bekam als Antwort ebenfalls einen tüchtigen Kinnhaken, der ihn ans andere Ende der Bar schleuderte. «Das geschieht dir recht!» schrie Yvette und ergriff die Gelegenheit, der Russin eine Flasche an den Kopf zu werfen. Und in diesem Augenblick brach das Gewitter los. Eine Zeitlang herrschte ein richtiger Höllenlärm, die Weiber waren alle außer Rand und Band und darauf versessen, die Gelegenheit zur Befriedigung privater Feindschaften zu benützen. Es geht nichts über einen netten Barkrach, denn dann ist es so leicht, einem Mann das Messer in den Rücken zu stoßen oder ihm eine Flasche über den Schädel zu hauen, wenn er unter einem Tisch liegt. Der arme Schwede war in ein Hornissennest geraten; jeder im Lokal haßte ihn, besonders seine Schiffskameraden. Sie wollten es ihm besorgt sehen. Also verriegelten sie die Tür und schoben die Tische beiseite, so daß vor der Bar ein kleiner Raum entstand, wo die beiden es zwischen sich austragen konnten. Und wie sie es austrugen! Man mußte den armen Teufel ins Krankenhaus bringen, als es zu Ende war. Collins war ziemlich glimpflich davongekommen, mit einem verstauchten

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