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Wendekreis des Krebses

Wendekreis des Krebses

Titel: Wendekreis des Krebses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
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Handgelenk und zwei ausgerenkten Fingern, einer blutenden Nase und einem blauen Auge. Lediglich ein paar Kratzer, wie er es ausdrückte. Aber wenn er je wieder mit diesem Schweden zusammentreffen würde, wollte er ihn umbringen. Es war noch nicht zu Ende. Das versicherte er uns.
    Und es war auch noch nicht das Ende dieses ganzen Spektakels. Danach mußte Yvette fortgehen und sich in einer anderen Bar besaufen. Sie war beleidigt worden und wollte Schluß machen. Also nahm sie ein Taxi und befahl dem Fahrer, sie an den Rand der das Meer überhängenden Klippe zu bringen. Sie wollte sich umbringen, das war’s, was sie wollte. Nun aber war sie so betrunken, daß sie, als sie aus dem Wagen herausstolperte, zu weinen anfing, und ehe sie jemand daran hindern konnte, hatte sie ihre Kleider ausgezogen. Der Fahrer brachte sie halbnackt nach Hause, und als Jimmie sie in diesem Zustand sah, wurde er so wütend, daß er ihr mit dem Abziehriemen seines Rasiermessers die Pisse aus dem Leibe prügelte, und sie, Hure die sie war, genoß das. «Mehr, mehr!» bettelte sie auf den Knien, seine Beine mit beiden Armen umklammernd. Aber Jimmie hatte genug. «Du alte Drecksau!» sagte er und versetzte ihr einen Tritt in den Leib, der ihr die Luft wegnahm und auch ein wenig die Geilheit.
    Es war höchste Zeit, daß wir abfuhren. Die Stadt sah im frühen Morgenlicht anders aus. Das letzte, wovon wir sprachen, während wir bis zur Abfahrt des Zuges warteten, war Idaho. Wir drei waren Amerikaner. Wir kamen von verschiedenen Orten, aber wir hatten etwas gemeinsam, sogar eine ganze Menge, möchte ich behaupten. Wir wurden sentimental, wie es bei Amerikanern der Fall ist, wenn es zum Abschied kommt. Wir gerieten ganz aus dem Häuschen über die Kühe und die Schafe und die großen offenen Prärien, wo die Männer noch Männer sind und all der Quatsch. Wäre ein Schiff statt des Zuges vorgefahren, dann wären wir an Bord gesprungen und hätten allem Lebewohl gesagt. Aber Collins sollte Amerika nie wiedersehen, wie ich später erfuhr, und Fillmore … nun, auch Fillmore mußte seine Strafe in einer Weise abbüßen, die damals keiner von uns vermuten konnte. Es ist am besten, Amerika ganz einfach so zu halten, immer im Hintergrund, als eine Art Ansichtskarte, die man in einem schwachen Augenblick betrachtet. So bildet man sich ein, es erwarte einen, immer unverdorben, unverändert, eine große, vaterländische, offene Weite mit Kühen und Schafen und weichherzigen Männern, die bereit sind, alles, was ihnen vor Augen kommt, ob Mann, Frau oder Tier, zu vögeln. Amerika gibt es nicht. Es ist ein Name, den man einer abstrakten Idee verleiht …

P aris ist wie eine Hure. Aus der Entfernung scheint es hinreißend, man kann es nicht erwarten, bis man es in den Armen hält. Und fünf Minuten später fühlt man sich leer, angeekelt von sich selber. Man fühlt sich betrogen.
    Ich kehrte mit Geld in der Tasche nach Paris zurück, ein paar hundert Francs, die mir Collins gerade beim Einsteigen in den Zug in die Tasche gesteckt hatte. Es genügte, um ein Zimmer und wenigstens für eine Woche reichliche Mahlzeiten zu bezahlen. Es war mehr, als ich seit mehreren Jahren auf einmal in Händen gehabt hatte. Ich war hochgestimmt, als täte sich vielleicht doch ein neues Leben vor mir auf. Ich wollte auch sparsam damit umgehen, also suchte ich ein billiges Hotel über einer Bäckerei in der Rue du Château auf, gerade bei der Rue de Vanves, ein Hotel, auf das Eugène mich einmal aufmerksam gemacht hatte. Ein paar Meter entfernt war die Brücke, welche die Schienenstränge vom Montparnasse überspannt. Ein bekanntes Viertel.
    Ich hätte dort ein Zimmer für hundert Francs im Monat mieten können, freilich ein Zimmer ohne alle Annehmlichkeiten, sogar ohne Fenster, und vielleicht hätte ich es genommen, nur um für eine Weile einen Raum zu haben, wo ich mich niederlassen konnte, hätte ich nicht, um in dieses Zimmer zu gelangen, zuerst durch das Zimmer eines Blinden hindurchgehen müssen. Der bloße Gedanke, jede Nacht an seinem Bett vorbeigehen zu müssen, übte eine äußerst deprimierende Wirkung auf mich aus. Ich beschloß, woanders zu suchen. Ich ging hinüber in die Rue Cels, direkt hinter dem Friedhof, und sah mir dort eine Art Rattenfalle mit rings um den Hof herumlaufenden Balkonen an. Auch Vogelkäfige waren am Balkon die ganze untere Reihe entlang aufgehängt. Ein vielleicht heiterer Anblick, aber mir kam es wie die Nervenstation eines Krankenhauses vor. Der

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