Wendland & Adrian 01 - Schattenwölfe
aus, begann dann heftig zu rasen. Er sah das Rudel, das riesige Rudel auf sie zujagen.
„Schnell! Zum Bus!“ rief Mehmet.
Die Männer stürzten davon, auf den gelben Kleinbus zu, der etwa zwanzig Meter weit weg parkte.
„He! Wartet!“ rief Krossner mit Panik in der Stimme. Niemand beachtete ihn, bis auf Josef, der sich umdrehte, zurückrannte und dem Vorarbeiter auf die Beine half. Krossner stützte sich auf ihn, doch so kamen sie viel zu langsam voran. Sie hatten erst die Hälfte der Strecke bewältigt, als die anderen bereits in den Bus kletterten.
Josef hörte das Trappeln der Wolfsfüße, den hechelnden Atem. „Mein Gott!“ keuchte er. „Kommen Sie! Schneller!“ Krossner stützte sich schwer auf ihn, bewegte sich, so rasch er es mit dem verwundeten Bein konnte. Freddy hatte sich ans Steuer des Kleinbusses gesetzt. Josef hörte, wie der Dieselmotor nagelnd ansprang, sah die blaue Rauchwolke aus dem Auspuff. „Wir schaffen es nicht!“ ächzte Krossner. „Laß mich los! Lauf allein weiter!“
„Nein!“ keuchte Josef.
Und dann holten die Wölfe sie ein. Josef erwartete, jede Sekunde von ihnen angesprungen und zu Boden gerissen zu werden, erwartete Reißzähne, die sich tief in sein Fleisch gruben.
Drei Wölfe liefen an ihnen vorbei. Gleichzeitig sah Josef die Rückfahrscheinwerfer des Kleinbusses aufleuchten. Freddy setzte zurück, kam ihnen entgegen. Die drei Wölfe wichen seitlich aus. Mehmet stieß die Hecktür des Busses auf und streckte die Hand aus, half Krossner einsteigen. Josef drückte Krossner nach oben, während er hinter sich die Wölfe knurren und bellen hörte. Dann kletterte er selbst in den Kofferraum des Busses.
Gerade als Mehmet die Hecktür zugezogen hatte, sprangen draußen zwei Wölfe hoch und prallten gegen die Tür, so daß ihre zähnefletschenden Schnauzen kurz am Rückfenster auftauchten. Aber jetzt waren sie in Sicherheit. Freddy gab Gas, Mehmet kletterte wieder zurück auf die hintere Sitzbank, von wo er sich nach hinten geworfen hatte, um die Hecktür aufzureißen.
Josef und Krossner saßen einander gegenüber auf dem Kofferraumboden, wurden unsanft durchgeschüttelt, während der Bus über die Trasse rumpelte. Das Gesicht des Vorarbeiters war bleich und schweißüberströmt. „Danke“, murmelte er leise. Das war das erste Mal, daß sich einer von den Deutschen aus dem Bautrupp bei Josef für irgend etwas bedankte.
Josef nickte. „Sie hätten uns zerreißen können, wenn sie gewollt hätten“, sagte er, „aber offenbar wollten sie uns nur vertreiben.“
Er stemmte sich hoch und schaute durchs Rückfenster. Das ganze Wolfsrudel lief hinter dem Kleinbus her, in ihrem langen, geschmeidigen Galopp hielten sie mühelos Schritt. Angesichts dessen, was geschehen war, erschien Josef dieser Gedanke geradezu unanständig, und dennoch: Sie waren schön, es waren wunderschöne, elegante Tiere.
Erst als der Kleinbus von der Trasse in die Baustellenzufahrt abbog, blieben die Wölfe zurück und folgten ihnen nicht länger. „Nie mehr geh ich auf Baustelle zurück“, sagte Mehmet mit seinem schweren türkischen Akzent. Josef schloß die Augen. Mein Gott , dachte er, nie wieder, wenn du im Gebet zu mir sprichst, werde ich deine Worte mißachten . Er beschloß, noch heute seine Sachen zusammenzupacken und zurück nach Polen zu fahren, zu seiner Frau und den Kindern. Für immer. Irgendwie würden sie es auch ohne das Geld schaffen, das er hier noch hatte verdienen wollen. Er bekreuzigte sich, noch immer vor Angst zitternd.
8. KAPITEL
J onas legte langsam den Telefonhörer auf und bemühte sich, seine Gedanken zu ordnen, während er aus seinem Büro auf den Buchfelder Marktplatz schaute, wo eine Handvoll Touristen das alte Rathaus fotografierte und schuleschwänzende oder arbeitslose Jugendliche sich mit ihren Mofas vor der Eisdiele trafen. Sein langes Telefonat mit Susanne Wendland hatte nicht dazu beigetragen, Licht in die ganze furchtbare Angelegenheit zu bringen.
Sie war überzeugt, daß es sich bei dem Mann, der mit dem Wolfsrudel unterwegs war, um diesen Dr. Gablenz handelte. Die Beschreibung paßte genau auf ihn, auch wenn der Staatsanwalt in der letzten Nacht davon nichts wissen wollte. Wenn Gablenz geheime wissenschaftliche Experimente durchgeführt hatte und der GENOTEC-Konzern dabei mit dem Militär zusammenarbeitete, erklärte das, wieso die MSD-Leute sich hier herumtrieben. Gablenz hatte offensichtlich äußerst mächtige Freunde, deren Arm bis nach Euskirchen
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