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Wendland & Adrian 01 - Schattenwölfe

Wendland & Adrian 01 - Schattenwölfe

Titel: Wendland & Adrian 01 - Schattenwölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Görden
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reichte. Kein Wunder, daß der Staatsanwalt so lange mit seinem Vorgesetzten telefoniert und anschließend völlig abgeblockt hatte. Und heute nachmittag sollte diese Sondereinheit vom BKA und eine sogenannte „MSD-Gefechtseinheit“ eintreffen, mit Suchhubschraubern und Scharfschützen. Seit wann verfügte der Militärgeheimdienst über „Gefechtseinheiten“? Aber wenigstens hatten sie nun offenbar den Ernst der Lage erkannt. Vermutlich wollten sie das Problem auf möglichst geheime Weise aus der Welt schaffen.
    Daß Gablenz die merkwürdige Droge an sich selbst getestet hatte und dabei irgendwie durchgedreht war, wie Susanne vermutete, ergab durchaus Sinn. Zumal ja offenbar schon jemand durch einen solchen Versuch in der Irrenanstalt gelandet war. Und daß die Leute, die hinter diesen Forschungen steckten, ein Interesse daran haben mußten, Gablenz möglichst ohne viel Aufsehen aus dem Verkehr zu ziehen, überraschte ebenfalls nicht. Diese Dinge waren zwar nicht gerade beruhigend, ließen sich aber alle auf rationale Weise erklären.
    Was sich nicht rational erklären ließ, was sich überhaupt nicht rational erklären ließ, waren die Ereignisse der letzten Nacht.
    Es klopfte. Schöntges brachte den Computerausdruck zweier Fotos herein. Es waren die Bilder von Gablenz, die Susanne ihm hatte faxen wollen. Jonas nickte. Kein Zweifel. Das war der Mann. Das eine Foto war eine Totale, die ihn während eines Vortrages zeigte, das andere ein Brustbild. Eine markante Erscheinung, kaum zu verwechseln. Jonas hatte ihn im Wald gesehen, und gestern aus vielleicht zehn Meter Entfernung im Lichtschein der Straßenlaterne, als sie zu Honadels Haus gerannt waren. Und auch Schöntges sagte sofort: „Das ist der Mann aus dem Wald, nicht wahr?“
    Jonas nickte. Er griff wieder zum Telefon, tippte Susannes Handynummer ein. „Ja“, sagte er, als sie sich meldete, „er ist es.“
    „Das habe ich erwartet. Hör mal, was mich wirklich beunruhigt, sind die Dinge, die Gablenz gestern nacht gesagt oder gerufen hat, wie du mir erzählt hast. Ich meine, ich muß immer wieder an meinen Besuch in der Nervenklinik gestern denken.“
    Jonas rieb sich die Nase. „Hat dieser Scholl wirklich gesagt: ‚Die Droge hat ein Tor geöffnet, und dahinter lauert ein Etwas, das die Kontrolle über mich bekommen will‘, oder so ähnlich?“
    „Genau das hat er gesagt. Ich finde einfach keine vernünftige Erklärung dafür, warum Gablenz sich so verhält, wie er sich verhält! Du hast mir ja vorhin erzählt, wie dein toter Freund, der Bürgermeister, Gablenz beschrieben hat. Genau so habe ich ihn voriges Jahr auch erlebt. Wenn ich ihn kurz und knapp charakterisieren sollte, würde ich ihn als total fortschrittsgläubigen Technokraten beschreiben. Das, was er zu deiner Freundin am Wolfsgehege, zu den Kindern im Wald und gestern nacht gesagt hat oder haben soll, klingt ja, als hätte er sich durch die Droge in eine Art übergeschnappten Ökokrieger verwandelt. Ich ... glaube einfach nicht, daß ein solches Verhalten seinem Persönlichkeitsbild entspricht. Kann eine Droge einen Menschen so vollkommen verändern?“
    Das Nasereiben half Jonas meistens, Ordnung in seine Gedanken zu bringen. Diesmal ordneten sie sich auf eine Weise, daß er seine Nase sofort losließ, in der Hoffnung, so die Idee, die sich ihm aufdrängte, wieder verscheuchen zu können. „Und wenn dieser Scholl recht hätte?“ fragte er laut. Nein, antwortete er sich selbst. Ausgeschlossen.
    Susanne schwieg einen Moment. Dann sagte sie: „Eine Art... Besessenheit. Aber das kann es doch nicht geben, oder? Ich meine, wer glaubt schon an so was ...“
    Immer wieder hatte Jonas den Film vor seinem geistigen Auge vor- und zurücklaufen lassen. Schnell und in Zeitlupe, wie er es bei Gewaltverbrechen stets getan hatte. Sich jedes Detail am Tatort, alles, was geschehen war, genau vergegenwärtigt. Er war einunddreißig Jahre alt, aber was die Gewaltverbrechen anging, deren Tatorte er besichtigt hatte, fühlte er sich wie einundsechzig. Fünf Jahre hatte er in Köln bei der Mordkommission gearbeitet, davon zwei Jahre unter dem legendären Hauptkommissar Möller, in dessen Büro Susanne nun saß. Er hatte Menschen gesehen, die auf die unterschiedlichsten Arten ins Jenseits befördert und zum Teil grotesk verstümmelt worden waren. Die Täter mochten, was ihre Motive anging, pervers und abartig und vollkommen geistesgestört gewesen sein, aber immer hatten sich die Umstände der Tat, der

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