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Wendland & Adrian 01 - Schattenwölfe

Wendland & Adrian 01 - Schattenwölfe

Titel: Wendland & Adrian 01 - Schattenwölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Görden
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Tathergang, vollkommen rational erklären und rekonstruieren lassen.
    Doch diesmal lieferten ihm die Bilder seines durch jahrelange kriminalistische Arbeit geradezu fotografisch gewordenen Gedächtnisses nichts, aber auch gar nichts, woran sein Verstand sich hätte festklammern können. Gablenz war mit dem Wolfsrudel mitten in das Neubauviertel spaziert. Gablenz hatte gerufen, daß er den Tod bringen werde. Und während Gablenz seine unheimliche Ansprache herausgeschrien hatte, war ein Wolf zielstrebig zu Honadels Haus marschiert, ins Wohnzimmer eingedrungen und hatte Jochen getötet. Nein, diesmal gab es für die Tatumstände eindeutig keine rationale Erklärung! „He, Kollege“, hörte er Susannes Stimme im Telefonhörer, „bist du noch dran?“
    „Hm?“ Besessenheit. „Nein, ich glaube auch nicht, daß es so etwas gibt. Ich kann es mir jedenfalls nicht vorstellen.“
    Susanne seufzte hörbar. „Aber ich finde einfach keine vernünftige Erklärung für Gablenz‘ Verhalten. Und die Sache läßt mir irgendwie keine Ruhe. Du kennst ja meine krankhafte Neugierde...“
    Jonas mußte unwillkürlich grinsen. O ja. Dafür war sie im gesamten Kölner Präsidium berüchtigt. Die Frau, die nicht lockerließ, bis selbst die härteste kriminalistische Nuß geknackt war. Sie war wirklich Möllers würdige Nachfolgerin!
    „Also, paß auf“, fuhr sie fort, „versprich mir, mich zu verständigen, wenn sich bei euch etwas Neues tut, okay? Und ich werde mir diesen Schlei vornehmen. Der scheint kurz davor zu stehen, auszupacken, reinen Tisch zu machen. Vielleicht erfahre ich von ihm Genaueres über diese Droge, das Megatonin. Ich rufe dich dann sofort wieder an.“
    Er wollte sie noch warnen, daß sie sich kein Disziplinarverfahren einhandeln sollte, wo ihr der Fall doch damals entzogen worden war, aber da hatte sie die Verbindung schon unterbrochen. Lächelnd schüttelte er den Kopf. Susanne war ohnehin nicht der Typ, der gute Ratschläge annahm.
    Dann wurde sein Gesicht sofort wieder ernst. Besessenheit? Er hatte immer noch den Klang von Gablenz‘ Stimme in den Ohren. Gewiß, Gablenz war ein großer, schwerer Mann. So jemand mochte durchaus eine sehr laute und dröhnende Stimme haben. Aber niemals so laut. Jonas war sicher, daß alle Leute in der Straße selbst bei geschlossenen Fenstern jedes Wort verstanden hatten. Eine unmenschlich laute Stimme, als ob dem Mann statt des Kehlkopfs ein Megaphon im Hals saß. Jonas schauderte beim Gedanken daran.
    Falls die Geheimdienstler tatsächlich vertuschen wollten, was geschehen war, würde ihnen das ziemlich schwerfallen. Immerhin wohnten im Lindenweg circa sechzig Menschen, und auch die Leute in den Seitenstraßen dürften noch einiges von dem Gebrüll mitbekommen haben. Beziehungsweise hatte es sich eben nicht um unartikuliertes Gebrüll gehandelt, sondern um glasklar zu verstehende Worte - wie von einem Schauspieler, der mit tief rollender Stimme über Mikrophon einen Text in eine riesige Verstärkeranlage sprach. Daß er gekommen sei, um die Menschen an ihre Pflichten gegenüber dem Land zu erinnern, hatte er zuvor schon zu Chris am Gehege gesagt, und zu den beiden Schulschwänzern. Dann war da noch die Sache mit dem Bären. Chris hatte diese unheimliche Bärengestalt gesehen, die Gablenz gleichsam zu überlagern schien. Die Leute, die schnell damit bei der Hand waren, Menschen wie Chris als verrückt oder zumindest mit einer überreizten Phantasie ausgestattet abzustempeln, hätten vermutlich nur mitleidig den Kopf geschüttelt. Aber Jonas hatte drei Jahre lang praktisch alle Tage und Nächte mit Chris verbracht, und seither glaubte er, nein, wußte er, daß es Menschen mit dem zweiten Gesicht gab. Er war ein nüchterner, realistischer Polizist, aber er hatte drei Jahre lang ein Mädchen geliebt, das im Mittelalter wohl Opfer eines Hexenprozesses geworden wäre. Es gab eine andere Wirklichkeit. Die meisten Menschen sahen sie nicht, aber Chris konnte es. Zugegeben, was den Bären anging, hätte Jonas in diesem Fall zumindest die Möglichkeit überreizter Phantasie bei Chris in Erwägung gezogen, wäre der Junge nicht gewesen. Tobias. Er sah noch vor sich, wie er und seine Freundin aufgeregt und atemlos in die Polizeiwache gestürmt waren. Tobias hatte keuchend seine Geschichte heruntergerattert und erwähnt, er hätte aus den Augenwinkeln so etwas wie einen Bären gesehen, dort wo der rothaarige Mann, Gablenz, gestanden hatte. Jonas war kurz davor gewesen, zu fragen, ob

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