Wendland & Adrian 01 - Schattenwölfe
diesen Teil in Jonas aufgeweckt .
Zum Glück kam Chris bald. Er hatte Dimmig, der mit seinem Pick-up „Patrouille fuhr“, wie er es nannte, gebeten, sie im Wildpark abzuholen und hier zur Wache zu bringen. Jonas wollte mit Chris drüben beim Italiener Pizza essen. Vielleicht half es ihm, mit ihr über all das zu sprechen... Das Telefon klingelte. Intern. Er drückte die entsprechende Taste. Schöntges sagte: „Ich habe die Biggi hier über Funk, aus dem Streifenwagen.“ „Okay, stell sie mir durch.“
Biggi klang eifrig wie immer, aber auch etwas beunruhigt und aufgeregt. „Also, wir haben hier an der Kreuzung L119/K9 gehalten, weil der Hannes mal pinkeln mußte“, berichtete sie. „Gerade als der Hannes wieder zu mir ins Auto steigt, kommt mit einem Wahnsinnszahn so ein gelber Kleinbus von der Tiefbau-Union die K9 herunter. Du weißt doch: Da ist ja gleich um die Ecke die Zufahrt zur Autobahnbaustelle. Also, der Kleinbus rauscht an die Kreuzung ran und überfährt, ohne auch nur den Fuß vom Gas zu nehmen, einfach das Stoppschild und donnert weiter auf der K9 Richtung Gewerbegebiet Buchfeld. Zum Glück kam gerade kein Querverkehr, sonst hätt‘s gewaltig geknallt!“
Biggi holte tief Luft, dann setzte ihr stark eiflerisch gefärbter Redeschwall wieder ein: „Wir also mit Blaulicht hinterher. Erst wollte der gar nicht anhalten, aber als er unsere Kelle sah, ist er dann doch rechts ran. Der Bus war voll mit Arbeitern oben von der Baustelle. Mann, waren die fertig! Der Fahrer war leichenblaß und hat ständig in den Rückspiegel geguckt, als ob King Kong persönlich hinter ihnen her wäre. ‚Etwas Schreckliches ist auf der Baustelle passiert‘, sagte er. Aber was, wollte er nicht sagen, und die anderen auch nicht. Sie wollten so schnell wie möglich nach Buchfeld, dem alten Thönnes Bescheid sagen. Und sie wollten mit der Sache nichts mehr zu tun haben, und sie würden nie wieder auf die Baustelle zurückgehen. Ehrlich gesagt, der Fahrer tat mir leid, der war so am Ende mit den Nerven. Ich hab ihn bloß verwarnt und die Personalien festgestellt. Dann hab ich sie weiterfahren lassen. Ein Stück ist er langsam gefahren, doch dann ist er genauso weitergebraust wie vorher. Und dann war da noch was: Zwei der Arbeiter waren verletzt, einer an der Schulter, einer am Bein. Wenn du mich fragst, sah‘s wie Bißverletzungen aus. Der mit der Wunde am Bein hatte außerdem das Gesicht ganz merkwürdig zerkratzt. Richtig scheußlich sah das aus...“ Sie machte eine kurze Pause und fügte dann hinzu: „Was meinst du, ob der Verrückte mit den Wölfen da oben herumgeistert?“
„Möglich“, erwiderte Jonas nachdenklich. Sehr beruhigend klang das alles nicht gerade.
„Ich denke mir“, sagte Biggi, „Hannes und ich fahren mal hoch zur Baustelle und schauen nach dem Rechten, okay? Du könntest ja nachher beim alten Thönnes nachhören, ob die dem mehr erzählt haben.“
„In Ordnung. Aber seid vorsichtig. Wenn ihr etwas Ungewöhnliches seht, meldet euch sofort. Unternehmt nichts auf eigene Faust. Ich spreche mit Thönnes und komme dann zu euch raus.“ „Klar, Papi“, sagte Biggi und unterbrach die Verbindung.
Als Förster Dimmigs Pick-up endlich Buchfeld erreichte, atmete Chris auf. Es war sehr warm in der Fahrerkabine, und auf der für drei Personen eher schmalen Sitzbank fühlte sie sich zwischen Dimmig und dessen Forstassistenten, einem kompakten, wortkargen Jungen namens Hajo, ziemlich eingequetscht. Es war eine dieser Gelegenheiten, bei der ihr bewußt wurde, wieviel sie um Taille und Hüften herum zugelegt hatte. Außerdem ging ihr Dimmigs Gerede auf die Nerven.
Er schwelgte in wilden Jägerphantasien darüber, wie man das Wolfsrudel unschädlich machen könne. Für das Geheimnisvolle, Unerklärliche, was sich dort draußen im Wald ereignete, schien er kein Gespür zu haben, aber vermutlich wollte er es auch gar nicht wissen, weil es ihn zu sehr verstört hätte. Statt dessen zog er es offenbar vor, ich von den Ereignissen seine tiefsitzenden Vorurteile bestätigen zu lassen: War nicht mit dem Angriff des Rudlels am Dienstag und nun mit Honadels schrecklichem Tod bewiesen, was er insgeheim immer schon gewußt hatte, daß Wölfe blutrünstige Bestien waren, Feinde des Menschen, die abgeknallt gehörten, wo immer man sie or die Flinte bekam?
Als Chris ihn danach fragte, mußte er zugeben, daß er bis vor drei Tagen noch nie persönliche Bekanntschaft mit Wölfen gemacht, sie noch nie gejagt oder in
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